Verfahrensgang
SG Nürnberg (Urteil vom 18.08.2003; Aktenzeichen S 9 KG 26/02) |
BSG (Aktenzeichen B 10 KG 4/06 B) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist im Zeitraum von Mai 1994 bis Dezember 1995 ein Kindergeldanspruch des Klägers für die leiblichen Kinder A…, geb. 1987, und A…, geb. 1992, nebst Verzinsung von 12,5 %.
Der Kläger und seine Familienangehörigen, alle Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas, flüchteten im März 1993 wegen des damaligen Bürgerkriegs von dort in die Bundesrepublik Deutschland – BRD – (Einreise aufgrund eines Besuchervisums und einer “Einladung” des Prozessbevollmächtigten), hielten sich an zwei Orten in der Oberpfalz bis zum 27.04.1997 auf und kehrten mit dem 1996 geborenen dritten Kind S… nach einem längeren Zwischenaufenthalt in Kroatien (während dieses Aufenthalts wurden auf Antrag die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 11.017,82 DM erstattet – Bescheid der damaligen Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz vom 31.10.2000) in ihr Heimatland zurück.
Zwischen 1993 und 1997 war der Kläger zeitweise, u.a. vom 24.05.1994 bis zum 01.01.1995 und vom 01.03.1995 bis zum 31.01.1996, bei der Firma E… GmbH, Behälterbau, beschäftigt und bezog laut Bescheiden des Arbeitsamts W… (in der später vom Senat beigezogenen Sozialhilfeakte) u.a. vom 02.01. bis 28.02.1995 Arbeitslosengeld.
Der möglicherweise seit Dezember 1994 in einem Arbeitsverhältnis stehenden Ehefrau des Klägers sind (laut den vom Senat beigezogenen Ausländerakten des Landratsamts N…) ab 22.03.1993 wiederholt befristete Duldungen (Aussetzung der Abschiebung) und ab 18.09.1995 befristete Aufenthaltsbefugnisse erteilt worden; der Aufenthalt des Klägers beruhte vom 19.03.1993 bis 14.09.1994 auf einer Duldung, vom 15.09.1994 bis 19.03.1995 auf einer Aufenthaltserlaubnis, vom 20.03. bis 17.09.1995 auf einer Duldung und vom 18.09.1995 bis 24.03.1997 auf einer Aufenthaltsbefugnis.
Am 30.04.2001 stellte der Kläger erstmals bei der Beklagten einen schriftlichen Antrag auf Kindergeld für drei Kinder unter Beifügung von Unterlagen (vom jetzigen Prozessbevollmächtigten beim Arbeitsamt W… abgegebener Formblattantrag mit beigefügten Belegen), wobei ersichtlich war, dass sich der Kläger und dessen Familie seit dem 27.04.1997 nicht mehr in der BRD aufhielten und in S…, Bosnien-Herzegowina, wohnten. Seine Ehefrau hatte auf dem Formblatt ihr Einverständnis mit der Zahlung des Kindergelds an den Kläger erklärt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29.06.2001 unter dem Betreff “Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG)” lehnte die Beklagte den Antrag mit folgender Begründung ab: “Gemäß § 52 Abs. 32b EStG in Verbindung mit § 66 Abs. 3 EStG in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung ist eine rückwirkende Gewährung des Kindergeldes im Rahmen der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO möglich. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass eine Kindergeldgewährung für die Zeit vor Juli 1997 nicht in Betracht kommt. In ihrem Fall kann Kindergeld für die Kinder A…, A… und S… nicht gewährt werden, weil sie am 27.04.1997 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgereist sind” (Rechtsbehelfsbelehrung: Einspruch).
Mit dem hiergegen vom jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegten Einspruch wurde Kindergeld unter Bezug auf “diverse Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs” und der “zwischenstaatlichen Vereinbarungen zwischen der BRD und Ex-Jugoslawien” begehrt. Daraufhin erging die zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 09.08.2001. Allein unter Zitierung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO) und des EStG wurde begründet, dass Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Antragstellung gezahlt werden könne und – nach einer Rechtsänderung – rückwirkend längstens bis Juli 1997 (§ 66 Abs. 3 und § 52 Abs. 62 EStG). Gemäß § 62 Abs. 2 EStG habe ein Ausländer nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Der Einspruchsführer habe sich im Rahmen einer “Aufenthaltsgestattung” bis zum 27.04.1997 in der BRD aufgehalten und sei zur Ausreise gemäß § 42 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) bis spätestens 30.06.1997 aufgefordert worden. Ab Juli 1997 hätten somit die Voraussetzungen für Kindergeld nicht vorgelegen.
Im darauf folgenden Klageverfahren vor dem Finanzgericht N… begehrte der Kläger Kindergeld für drei Kinder im Zeitraum von Mai 1994 bis Juli 1997 mit dem Vortrag, die Familienkasse habe “uns” auf Nachfragen wegen Kindergelds immer wieder gesagt, dass “wir” keine Aufenthaltserlaubnis hätten und damit kein Recht auf Kindergeld. Der Schwager S. M. habe zur damaligen Zeit schriftlich bekommen, dass er kein Kindergeld wegen fehlender Aufenthaltserlaubnis erhalten könne (Anmerkung des Senats: Der Pro...