Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Berufung bei Verweigerung von Angaben zur Wohnanschrift oder zum Aufenthaltsort
Leitsatz (amtlich)
1. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtssuchenden - als Teil der Bezeichnung des Klägers - genannt wird. Dazu gehört die Angabe des Wohnsitzes bzw. Aufenthalts- oder Beschäftigungsortes des Rechtssuchenden. Die Anschrift "postlagernd" genügt grundsätzlich nicht.
2. Die Angabe kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn besondere, dem Gericht mitgeteilte Gründe dies rechtfertigen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 1. Dezember 2022 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit ab Mai 2014.
Die 1947 geborene Klägerin bezog in der Zeit Januar 2006 bis Dezember 2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter L. Seit Januar 2013 erhält sie eine Altersrente in Höhe von rund 500 € monatlich. Mit Bescheid vom 14.02.2013 bewilligte der Beklagte ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2013. Mit Schreiben vom 02.12.2013 wies der Beklagte die Klägerin auf das bevorstehende Ende des Bewilligungszeitraums hin und forderte sie auf, einen Vordruck zur Überprüfung der Hilfebedürftigkeit auszufüllen und mit verschiedenen Nachweisen, insbesondere Kontoauszügen der letzten drei Monate und Belegen zu Versicherungen sowie zur Höhe der Miete, vorzulegen. Der Aufforderung kam die Klägerin nicht nach, weil sie der Auffassung war, dass sie keinen Folgeantrag stellen müsse. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erhielt die Klägerin noch für die Zeit bis zum 30.04.2014 Leistungen in der bisherigen Höhe (Beschluss des Senats vom 20.03.2014 - L 8 SO 35/14 B ER). Nachdem sie auch einer weiteren Aufforderung zur Vorlage des ausgefüllten Vordrucks zur Überprüfung der Hilfebedürftigkeit nicht nachgekommen war, versagte der Beklagte mit Bescheid vom 22.04.2014 die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.05.2014. Den Widerspruch der Klägerin wies die Regierung von Schwaben mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2014 als unbegründet zurück, die Klage wies das Sozialgericht Augsburg (SG) mit Urteil vom 28.10.2014 ab ( S 3 SO 123/14 ). Die Berufung blieb ebenso ohne Erfolg (Urteil des Senats vom 21.02.2017 - L 8 SO 115/15 ) wie ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision (Beschluss des Bundessozialgerichts vom 25.07.2017 - B 8 SO 16/17 BH ).
Am 01.02.2018 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Versagungsbescheids vom 22.04.2014 gemäߧ 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) . Nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung in S wurde die Klägerin am 21.02.2018 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet. Eine neue Anschrift hat sie weder dem Beklagten noch der Gemeinde S mitgeteilt. Abfragen im Bayerischen Behördeninformationssystem - zuletzt am 28.11.2022 - ergaben ebenfalls keine weiteren Erkenntnisse. Den Überprüfungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26.03.2018 ab, welchen er durch öffentliche Zustellung bekanntgab. Mit Schreiben vom 19.05.2021 - in welchem sie erstmals die Anschrift in der A Straße in L angab - bat die Klägerin den Beklagten, ihr den Bescheid zu ihrem Antrag vom 01.02.2018 bis zum 04.06.2021 zuzustellen.
Wegen der unverzüglichen Zustellung durch den Beklagten erhob die Klägerin am 17.06.2021 Klage zum SG. Eine Bekanntgabe des Bescheids vom 26.03.2018 sei ihr gegenüber nicht erfolgt. Nachdem das SG der Klägerin im Klageverfahren am 12.07.2021 eine Abschrift des Bescheids vom 26.03.2018 übersandt hatte, legte die Klägerin am 23.07.2021 Widerspruch ein. Den Widerspruch wies die Regierung von Schwaben als Widerspruchsbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2021 als unzulässig zurück, weil er bereits nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat eingelegt worden sei. Der Beklagte habe seinen Bescheid ordnungsgemäß öffentlich bekanntgemacht, da eine Zustellung mittels Postzustellungsurkunde erfolglos geblieben sei. Der Widerspruchsbescheid wurde ebenfalls öffentlich bekanntgemacht.
Die Klägerin hat am 11.05.2022 beim SG eine Untätigkeitsklage gerichtet auf Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.03.2018 erhoben. Das SG hat den Widerspruchsbescheid mit Schreiben vom 08.09.2022 an die Postfachadresse der Klägerin übersandt. Gleichzeitig hat es die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klage mangels ladungsfähiger Anschrift unzulässig sei, da die Klägerin zu einer Obd...