Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Berufung bei Verweigerung von Angaben zur Wohnanschrift oder zum Aufenthaltsort
Leitsatz (amtlich)
1. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtssuchenden - als Teil der Bezeichnung des Klägers - genannt wird. Dazu gehört die Angabe des Wohnsitzes bzw. Aufenthalts- oder Beschäftigungsortes des Rechtssuchenden. Die Anschrift "postlagernd" genügt grundsätzlich nicht.
2. Die Angabe kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn besondere, dem Gericht mitgeteilte Gründe dies rechtfertigen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 28. April 2022 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt verschiedene Feststellungen im Zusammenhang mit den vom Beklagten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung.
Die 1947 geborene Klägerin bezog in der Zeit vom 17.01.2006 bis 31.12.2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter L. Seit Januar 2013 erhält sie eine Altersrente in Höhe von rund 500 € monatlich. Mit Bescheid vom 14.02.2013 bewilligte der Beklagte ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2013. Wegen der Höhe der bei der Leistungsberechnung jeweils anerkannten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für ihre Wohnung in L führte die Klägerin mehrere Rechtsstreite vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) und dem Bayer. Landessozialgericht (LSG).
Zum 01.08.2013 zog die Klägerin nach S in den Landkreis L. Mit Schreiben vom 02.12.2013 wies der Beklagte die Klägerin auf das bevorstehende Ende des Bewilligungszeitraums hin und forderte sie auf, einen Vordruck zur Überprüfung der Hilfebedürftigkeit auszufüllen und mit verschiedenen Nachweisen vorzulegen. Der Aufforderung kam die Klägerin nicht nach, weil sie der Auffassung war, dass sie keinen Folgeantrag stellen müsse. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erhielt die Klägerin noch für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 30.04.2014 Leistungen in der bisherigen Höhe (Beschluss des Senats vom 20.03.2014 - L 8 SO 35/14 B ER). Nachdem die Klägerin jedoch auch einer weiteren Aufforderung zur Vorlage des ausgefüllten Vordrucks zur Überprüfung der Hilfebedürftigkeit nicht nachgekommen war, versagte der Beklagte mit Bescheid vom 22.04.2014 die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.05.2014. Klage und Berufung gegen den Versagungsbescheid vom 22.04.2014 blieben ohne Erfolg (Urteil des Senats vom 21.02.2017 - L 8 SO 115/15 ). Einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde lehnte das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 25.07.2017 ab ( B 8 SO 16/17 BH ).
Nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung in S wurde die Klägerin am 21.02.2018 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet. Eine neue Anschrift hat sie weder dem Beklagten noch der Gemeinde S mitgeteilt. Abfragen im Bayerischen Behördeninformationssystem (BayBis) - zuletzt am 28.11.2022 - ergaben ebenfalls keine weiteren Erkenntnisse. Nach ihren eigenen Angaben ist die Klägerin wohnungslos. Ihre Post erhält sie durch Postlagerung.
Mit Schreiben vom 19.05.2021 - in welchem sie erstmals die Anschrift in der A Straße in L angab - beantragte die Klägerin verschiedene Auskünfte zu den vom Beklagten anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung; die aufgeworfenen Fragen beantwortete der Beklagte mit einem Schreiben vom 15.06.2021.
Gegen diese Auskunft des Beklagten vom 15.06.2021 hat die Klägerin am 21.07.2021 Klage zum SG erhoben mit den Anträgen (1.) festzustellen, dass der Beklagte über kein schlüssiges Konzept verfüge, um hieraus die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft bestimmen zu können, (2.) festzustellen, dass die vom Beklagten als angemessen festgelegte Mietobergrenze in Höhe von 480 € bzw. 400 € auf Grund eines fehlenden schlüssigen Konzepts unkorrekt ermittelt worden sei sowie (3.) den Beklagten zu verurteilen, ihr Kosten der Unterkunft auf der Grundlage der Wohngeldtabelle plus eines Sicherheitszuschlags von 10% zu gewähren. Das LSG habe bereits in einem Urteil vom 25.06.2015 ( L 7 AS 852/12 ) festgestellt, dass das vom Beklagten genannte Konzept der Firma E nicht den Anforderungen des BSG zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts entspreche. Da die festgelegten Mietobergrenzen rechtswidrig bestimmt worden und daher nicht anwendbar seien, sei ihr als Richtwert bei der Wohnungssuche der Tabellenwert der Wohngeldtabelle plus Sicherheitszuschlags von 10 % entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu gewähren. Im Rahmen der so festgelegten Bruttokaltmiete könne sie in absehbarer Zeit voraussichtlich eine Unterkunft in L beziehen...