Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Zulässigkeit der nachträglichen Rechnungskorrektur einer Krankenhausabrechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Krankenhausträger ist mit der nachträglichen Änderung einer DRG und der darauf beruhenden Rechnungskorrektur nach abgeschlossenem MDK-Prüfverfahren nicht gemäß § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 ausgeschlossen. Die in § 7 Abs 5 S 2 PrüfvV 2014 festgelegte Fünfmonatsfrist für die nachträgliche (Abrechnungs-)Datensatzkorrektur im MDK-Prüfverfahren schließt die nachträgliche Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren durch den Krankenhausträger nicht aus.
2. Insbesondere ergibt sich aus § 7 Abs 5 S 2 PrüfvV 2014 keine materielle Ausschlussfrist. Dies ergibt sich ua aufgrund des systematischen Gesamtzusammenhangs.
3. Die mit § 7 Abs 5 S 3 PrüfvV 2016 eingeführte Regelung gilt nicht rückwirkend für die Zeit vor dem 1.1.2017.
4. Es liegt weder ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot vor noch verstößt die nachträgliche Rechnungskorrektur gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben in der Form der Verwirkung.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 5.371,36 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin und Berufungsbeklagte begehrt die Zahlung einer Vergütung aus einer stationären Behandlung in Höhe von 5.371,36 EUR und wendet sich hierbei gegen die Aufrechnung in dieser Höhe durch die Beklagte und Berufungsklägerin. Die Klägerin betreibt ein nach § 108 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus, in dem der Versicherte C. (AS; geb.: 1961) im Zeitraum vom 12. bis 14.04.2016 behandelt wurde. Die Klägerin stellte der Beklagten am 25.04.2016 für diesen Aufenthalt auf Grundlage der DRG F12G (Implantation eines Herzschrittmachers, Zwei-Kammersystem, ohne komplexen Eingriff, Alter ≫15 Jahre, ohne Sondenentfernung mit Excimer-Laser, ohne äußerst schwere CC oder isolierte offen chirurgische Sondenimplantation) Kosten in Höhe von 5.289,40 Euro in Rechnung.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Bayern ein, der der Klägerin mit einer Prüfanzeige vom 14.10.2016 mitteilte, dass eine Prüfung zur Klärung eingeleitet worden sei, ob die Überschreitung der unteren Grenzverweildauer medizinisch begründet gewesen sei. Der MDK kam in seiner Stellungnahme vom 22.12.2016 zu dem Ergebnis, dass diese Frage zu bejahen sei; die stationäre Krankenhausbehandlung sei in vollem Umfang medizinisch notwendig gewesen.
Die Klägerin führte nachträglich eine Kodieränderung von OPS-Code 5-377.2 (Schrittmacher, Zweikammersystem, mit einer Schrittmachersonde) in den OPS-Code 5-377.50 (Defibrillator mit Einkammer-Stimulation ohne atriale Detektion) durch. Mit Rechnung vom 25.01.2017 rechnete sie 10.660,76 Euro mit DRG F01G (Implantation Kardioverter / Defibrillator (AICD), Ein-Kammer-Stimulation, ohne zusätzlichen Herz- oder Gefäßeingriff, ohne intensmed. Kompl. ≫ 392 / 368 / - Aufwandspunkte, ohne äußerst schwere CC) für die stationäre Krankenhausbehandlung ab. Gleichzeitig wurde die Rechnung vom 25.04.2016 storniert. Die Rechnung vom 25.01.2017 beglich die Beklagte nur anteilig in Höhe der Rechnung vom 14.10.2016; sie verwies darauf, dass eine Rechnungskorrektur nach eingeleiteter MDK-Prüfung und Abschluss des MDK-Verfahrens nicht mehr möglich sei.
Die Klägerin hat am 02.05.2017 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und die noch offene Zahlung aus dem streitigen Behandlungsfall in Höhe von 5.371,36 Euro begehrt. Die Rechnung vom 25.01.2017 sei nicht zu beanstanden. Eine Nachkodierung sei auch nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens zulässig. Aus § 6 Abs. 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) a.F. und § 7 Abs. 5 PrüfvV a.F. folge die Möglichkeit einer Nachkodierung innerhalb von fünf Monaten. Erst aus der PrüfvV ab 01.01.2017 ergebe sich, dass für Aufnahmefälle ab 01.01.2017 nur noch eine Korrektur der Datensätze bis zum Abschluss der MDK-Begutachtung möglich sei.
Die Beklagte hat argumentiert, es habe ein Falldialog ohne Einigung stattgefunden; daraufhin sei der MDK mit der Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V beauftragt worden. Auch nach dem Falldialog sei keine Datenkorrektur von der Klägerin vorgenommen worden. § 7 PrüfvV stelle klar, dass eine Korrektur von Datensätzen nur einmalig möglich sei und nach Abschluss der MDK-Prüfung spätere Korrekturen nicht vorgenommen werden könnten.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 28.05.2019 erklärt, dass die Kodierung von DRG F01G statt F12G mittlerweile nicht mehr beanstandet werde. Dennoch hätte eine Nachkodierung nicht mehr nach Beendigung des MDK-Prüfverfahrens erfolgen dürfen, weshalb ein weitergehender Vergütungsanspruch bereits daran scheitere. Eine Nachkodierung sei nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben möglich, soweit...