Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Kausalität. unterbliebene Antragstellung nach § 4 Abs 2 SGB 6 aufgrund eines Beratungsmangels

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.

 

Orientierungssatz

Zur Frage der Kausalität, wenn aufgrund eines gerügten (vermeintlichen) Beratungsmangels ein Antrag auf Pflichtversicherung nach § 4 Abs 2 SGB 6 unterblieben ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.01.2017; Aktenzeichen B 13 R 365/16 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.11.2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Die 1965 geborene Klägerin beantragte am 25.09.2010 bei der Beigeladenen - konkret bei der Agentur für Arbeit F-Stadt - einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 57 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der damals gültigen Fassung. Sie gab dabei an, schon in den Jahren 1983 bis 1997 als Gastronomin selbstständig tätig gewesen zu sein. Mit dem Antrag wurden Planungsunterlagen eingereicht, die in der Rubrik Kosten zur Deckung des Lebensunterhalts des Inhabers u.a. die Positionen Krankenversicherung und Rentenversicherung (Riester) auswies. Der Klägerin wurden für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.07.2011 ein Gründungszuschuss in Höhe von 975,60 Euro zuzüglich einer Pauschale von 300,00 Euro zur sozialen Sicherung bewilligt und im Anschluss daran für die Zeit bis 31.01.2012 monatlich 300,00 Euro als Zuschuss bewilligt.

Die Klägerin stellte bei der Beklagten am 10.05.2013 einen Antrag auf Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, nachdem sie seit 19.03.2013 wegen einer Hirnblutung im Krankenhaus behandelt worden war. Die Beklagte bewilligte der Klägerin die beantragte medizinische Rehabilitation in der m&i-Fachklinik H-Stadt und zwar für die Zeit vom 10.05.2013 bis 12.07.2013. Im dortigen Entlassungsbericht vom 13.08.2013 wurden folgende Diagnosen festgehalten:

1. Kleinhirnblutung rechts.

2. Dysarthrie.

3. Leichte kognitive Störung.

4. Ataxie.

5. Arrested Hydrocephalus.

Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig sowie als nurmehr einsatzfähig im Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich angesehen. Einschränkungen würden besonders in der konzentrativen Belastbarkeit sowie im psychomotorischen Tempo bestehen und häufige Pausen erforderlich machen. Tätigkeit mit Verantwortung für Personen und Maschinen, Publikumsverkehr, Überwachung, Steuerung komplexer Arbeitsabläufe, Zeitdruck und Akkord und außerdem feinmotorische Dauerbelastung der Hände, das Ersteigen von Leitern und Gerüsten sowie erhöhte Unfallgefahr seien der Klägerin nicht zuzumuten.

Ein neuerlicher Rehabilitationsantrag vom 28.10.2013, in dem die Klägerin auf das Vorliegen eines GdB von 80 und der Merkzeichen "G" und "B" verwiesen hatte, führte zu einer ärztlichen Begutachtung durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K., der die Klägerin am 19.03.2014 untersuchte. Er kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass bei der Klägerin

- eine Kleinhirnblutung rechts,

- eine Dysarthrie,

- eine leichte kognitive Störung,

- Gangataxie,

- Feinmotorik-Störung in der rechten Hand und

- eine mittelschwere depressive Episode

vorliegen würden. Die Klägerin könne derzeit leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen, zeitweise im Stehen, drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben. Als Kellnerin oder Gastronomin sei sie nicht einsatzfähig. Auch seien Tätigkeiten mit erhöhtem zeitlichen Druck, erhöhten Anforderungen an das Konzentrations-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen, hohem Bedarf an sprachlicher Kommunikation, Anforderungen an einen intakten Gleichgewichtssinn, erhöhter Anforderung an die Feinmotorik der rechten Hand und Arbeiten auf Leitern, Treppen und Gerüsten nicht möglich.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin eine erneute medizinische Rehabilitationsmaßnahme, die in der Zeit vom 26.06.2014 bis 14.08.2014 in der Neurologischen Klinik Bad N. erfolgte. Im dortigen Entlassungsbericht vom 14.08.2014 wurde das Leistungsvermögen der Klägerin mit unter drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie in der letzten ausgeübten Tätigkeit eingeschätzt. Die Einschränkungen würden Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, Aufmerksamkeitsleistungen, Tätigkeiten mit Absturz- und Unfallgefahr, Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, längere Gehstrecken, Zwangshaltungen, häufiges Bücken und bimanuelles feinmotorisches Arbeiten betreffen.

Die Medizinaldirektorin Dr. D. vom ärztlichen Dienst der Beklagten kam zum Ergebnis, dass die Beurteilung bei Ende des Heilverfahrens im Juli 2013 sowie bei der Begutachtung im März 2014 zu optimistisch gewesen sei und die Klägerin nur noch unter drei S...

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