Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Entgegenstehen eines Beschäftigungs-/Dienstverhältnisses. keine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit hälftigem Versorgungsauftrag als Pathologe bei Vollzeitbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Feststellung, ob ein Beschäftigungsverhältnis im Einzelfall der Eignung für eine vertragsärztliche Tätigkeit nach § 20 Abs 1 Ärzte-ZV entgegensteht, sind wesentliche Kriterien der Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme durch die Erwerbstätigkeit und der Grad der Einbindung in eine externe Arbeitsorganisation. Dabei kann bei einem geringeren Grad der Einbindung ein höherer zeitlicher Umfang der Erwerbstätigkeit (noch) unschädlich sein, während eine starke Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation auch bei einer geringeren zeitlichen Inanspruchnahme zu einer Nichteignung für eine vertragsärztliche Tätigkeit führen kann.

2. Eine Vollzeitbeschäftigung steht der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit jedoch unabhängig vom Grad der Einbindung in eine Arbeitsorganisation grundsätzlich entgegen. Die vertragsärztliche Tätigkeit kann nämlich nach § 19a Abs 2 Ärzte-ZV nicht beliebig, sondern nur auf die Hälfte eines vollen Versorgungsauftrags reduziert werden.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz 1 und 2: Entgegen BSG vom 13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R = BSGE 107, 56 = SozR 4-5520 § 20 Nr 3.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.12.2015; Aktenzeichen B 6 KA 19/15 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.02.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) im Berufungsverfahren.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit hälftigem Versorgungsauftrag als Pathologe in A-Stadt.

Der Kläger ist Ordinarius und Chefarzt am Universitätsklinikum A-Stadt. Mit Formantrag vom 31.10.2011 - eingegangen beim Zulassungsausschuss für Ärzte - Mittelfranken - (ZA) - am 10.11.2011, beantragte er die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit hälftigem Versorgungsauftrag als Pathologe für die A-Straße in A-Stadt.

Die Arztgruppe der Pathologen unterlag zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht der Bedarfsplanung.

Das Universitätsklinikum A-Stadt genehmigte ihm als Dienstherr mit Schreiben vom 28.10.2011 eine Nebentätigkeit als Vertragsarzt mit hälftigem Versorgungsauftrag für maximal 14 Wochenstunden.

Mit Bescheid vom 26.11.2012 (Beschluss: 19.09.2012) lehnte der ZA den Antrag des Klägers ab.

Aufgrund der vorgelegten Dienstverträge gehe man davon aus, dass der Kläger eine Vollzeittätigkeit an der F.A.-Universität und am Universitätsklinikum A-Stadt ausübe. Dieser vollzeitige Lehrauftrag und die Chefarztfunktion stünden nach Auffassung des ZA der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit - auch bei hälftigem Versorgungsauftrag - entgegen (§ 20 Abs. 1 Ärzte-ZV). Neben der Wahrnehmung eines hälftigen Versorgungsauftrages sei eine Beschäftigung "in Vollzeit" nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R) ausgeschlossen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Neufassung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV durch das GKV-VStG. Auch wenn ein in einem Beamtenverhältnis stehender Hochschullehrer seine Arbeitszeit frei einteilen könne, habe er grundsätzlich seine Arbeitskraft dem Dienstherren in vollem Umfange zur Verfügung zu stellen (§ 36 Satz 1 BRRG). Der Umstand, dass er in der sog. vorlesungsfreien Zeit möglicherweise in der Lage sei, ganztägig eine vertragsärztliche Leistung zu erbringen, rechtfertige keine andere Beurteilung. Der Behandlungsbedarf der Versicherten erfordere das kontinuierliche Zur-Verfügung-Stehen des Vertragsarztes. Die Nebentätigkeitsgenehmigung des Universitätsklinikums A-Stadt betrage darüber hinaus lediglich 14 Wochenstunden. Der Gesetzgeber gehe bei einer Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag aber grundsätzlich von einer Arbeitszeit von 20 Wochenstunden aus. Der ZA sei deshalb der Meinung, dass der Kläger wegen der anderweitigen Tätigkeiten den Versicherten nicht in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung stehe. Der zeitliche Umfang, für den der Zulassungsbewerber regelmäßig zur Verfügung stehe, dürfe nicht aus Gründen, die außerhalb des Systems der vertrags- ärztlichen Versorgung lägen, von vorneherein eingeschränkt sein.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 20.12.2012 Widerspruch ein. Der ZA habe die besondere Stellung der Pathologie als nicht patienten- orientiertes Fach, den gesetzgeberischen Willen zur Förderung ambulanter und stationärer Kooperationen und die Präsenz von Vertragsärzten nach geltendem Recht und BSG-Rechtsprechung rechtlich falsch gewür...

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