Entscheidungsstichwort (Thema)
Statusfeststellung nach § 7a SGB IV. Tätigkeit einer Rezeptionistin
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Statusantrag ist auch nach Beendigung des Auftragsverhältnisses zulässig. Die Motivation für die Einleitung des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV spielt für dessen Zulässigkeit keine Rolle.
2. Eine Rezeptionistin, die mit Mitarbeitern der Auftraggeberin zusammenarbeitet bzw. diese zeitweise vertritt, nach geleisteten Stunden vergütet wird, nach außen im Namen der Auftraggeberin handelt, kostenfrei die ihr zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel nutzt und weisungsgebunden tätig wird, unterliegt bei fehlendem Unternehmerrisiko im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung.
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. September 2018 wird abgeändert und der Bescheid vom 31.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14.05.2020 teilweise aufgehoben, soweit darin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 festgestellt wurde. Es wird festgestellt, dass in der Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestand.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zwei Drittel, die Beklagte ein Drittel.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist im Anfrageverfahren nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit der Beigeladenen als Rezeptionistin bei der Klägerin in der Zeit vom 15.01.2008 bis 30.09.2014.
Die Klägerin betreibt ein Softwareunternehmen mit rund 50 Mitarbeitern in A-Stadt im ersten Obergeschoss eines Bürogebäudes. Sie beschloss im Jahr 2006, ihren Empfangsbereich (direkt gegenüber dem Aufzug) an externe Dienstleister zu vergeben, und beauftragte hiermit in der Zeit von Februar 2006 bis September 2014 die Beigeladene. Ein schriftlicher Vertrag wurde nicht geschlossen. Die Beigeladene war im streitgegenständlichen Zeitraum an vier bis fünf Arbeitstagen pro Woche à acht bis zehn Stunden am Empfang der Klägerin tätig. Vereinbart wurde ein Stundensatz von 35,- Euro im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit der Beigeladenen. Diese war nicht verpflichtet, selbst tätig zu werden, sondern konnte auch Dritte einsetzen. Die Beigeladene sollte den Empfang während der regulären Öffnungszeiten der Klägerin zunächst bis zum Jahr 2009 in der Zeit von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr, danach von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr besetzen. Gelegentlich ließ sie sich von Aushilfen vertreten, die sie selbst organisierte, die jedoch von der Klägerin vergütet wurden.
Die Beigeladene erbrachte an der Rezeption auch Servicedienstleistungen für die Klägerin. Sie nahm Pakete entgegen, bestellte Taxen und das Catering für Konferenzen, bereitete die Besprechungsräume für Kundentermine vor (z.B. durch Bereitstellung von Getränken), geleitete die eintreffenden Gäste in die jeweiligen Räume, leerte den Briefkasten, verteilte die Post nach Sichtung durch den Vorstand an die Mitarbeiter der Klägerin, kuvertierte Briefe, füllte Verbrauchsgüter in der Teeküche auf, beauftragte Handwerker (z. B. wenn eine Lampe defekt war) und beantwortete zentral eingehende Anrufe. Sie bestellte Getränke, Blumen und Büromaterial bei Lieferanten, nahm die Kartenwünsche der Mitarbeiter für das von der Klägerin gesponsorte Orchester entgegen und leitete diese weiter, verschickte die Weihnachtspost und organisierte einige Jahre auch die Weihnachtsfeier der Klägerin. Sie vertrat die Küchenkraft der Klägerin, Frau K, wenn diese krank oder im Urlaub war. Etwa ab dem Jahr 2007 nahm die Beigeladene zusätzlich Reiseanfragen der Mitarbeiter der Klägerin entgegen, holte geeignete Angebote ein, buchte diese nach Zustimmung der Mitarbeiter und prüfte, ob der in Rechnung gestellte Betrag der Reise mit dem Angebot übereinstimmte. Reisebuchungen für die Mitarbeiter fielen im streitgegenständlichen Zeitraum rund zehn Mal pro Woche an. Die Beigeladene erhielt einen Generalschlüssel sowie Code und Passwort zur Deaktivierung der Alarmanlage. Die Beigeladene nutzte am Empfang der Klägerin Schreibtisch, Stuhl, das Rezeptionstelefon der Klägerin und einen PC. Sie verfügte über eine funktionsbezogene E-Mail-Adresse. Die Beigeladene erfasste ihre Zeiten nicht an der elektronischen Stempeluhr der Klägerin, führte ihre Stundenlisten auf Bitten der Klägerin aber derart, dass acht Stunden täglich für den Empfang aufgeführt werden sollten und weitere Stunden für andere Kostenstellen (z. B. die Kostenstelle des Vorstands K1: 1101). Sie musste Urlaub nicht beantragen und erhielt keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ansprechpartnerin der Beigeladenen bei der Klägerin war Frau B1, die insbesondere für die Vorbereitung de...