Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Tätigkeit als Rundgangleiter in einem Dokumentationszentrum. Museumsführer. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Aufgrund der engen Einbindung in die Arbeitsorganisation und eines fehlenden unternehmerischen Risikos ist die Tätigkeit als Rundgangleiter in einem Dokumentationszentrum als abhängige Beschäftigung einzuordnen.
2. Eine vor Beginn der Tätigkeit durchgeführte Schulung, die künftige Museumsführer erst in die Lage versetzt die Tätigkeit zu übernehmen, die mit einer Prüfung sowie Zertifizierung endet und die Voraussetzung für die Zulassung zur Tätigkeit ist, stellt eine vorgelagerte fachliche Weisung dar.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) streitig, ob der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Rundgangleiter ab März 2012 abhängig beschäftigt war und deshalb der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlag.
Die Klägerin und Berufungsklägerin (Klägerin) ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung in der Rechtsform einer öffentlichen Stiftung des Bürgerlichen Rechts mit Sitz in A-Stadt. Ihr oblag die Leitung des Lern- und Erinnerungsortes A. - Dokumentation A.. Die Ausstellung wurde von der Klägerin wissenschaftlich erarbeitet und konzipiert. Am A. im Dokumentationszentrum arbeiteten zwei bei der Klägerin beschäftigte Museumspädagoginnen. Die Klägerin setzte Rundgangleiter als freie Mitarbeiter ein.
Der Beigeladenen zu 1) war Student und ab Frühjahr 2011 bis etwa Frühjahr 2013 für die Klägerin als Rundgangleiter in der Dokumentation A. in B-Stadt tätig.
Der Beigeladene zu 1) bewarb sich schriftlich bei der Klägerin, bestand eine schriftliche Prüfung und durchlief ab Herbst 2010 eine etwa halbjährige Schulung zum Rundgangleiter, die von Wissenschaftlern der Klägerin durchgeführt wurde, für die er keine Vergütung erhielt. Etwa einmal wöchentlich referierten Wissenschaftler der Klägerin über Sektionen der Ausstellung in kleineren Gruppen am A.. Die Teilnehmer der Schulung sollten lernen, einen Rundgang in optimaler Weise durchzuführen. Am Ende der Ausbildung hielten die Teilnehmer eine etwa 60-minütige Probeführung ab. Nach bestandener Probeführung wurde der Beigeladene zu 1) als Rundgangleiter zugelassen und er erhielt ein Zertifikat.
Die Klägerin stellte Skripten zu den unterschiedlichen Rundgängen zur Verfügung, auch in englischer Sprache. Der Inhalt der Führungen war durch die Exponate vorgegeben. Der Rundgangleiter war an inhaltliche Vorgaben gebunden. Für den Fall, dass die Ausstellung an den neuesten wissenschaftlichen Stand angepasst wurde, waren die Rundgangleiter verpflichtet, sich von der Klägerin fortbilden zu lassen. Etwa zwei Mal im Jahr wurde die Anwesenheit der Rundgangleiter bei einer Dienstbesprechung gewünscht, zudem gab es unregelmäßig stattfindende freiwillige Fortbildungen. In der Folge "spezialisierten" sich die Rundgangleiter auf unterschiedliche Rundgänge; der Beigeladene zu 1) konnte zudem Führungen in englischer Sprache abhalten.
Die einzelnen Rundgänge wurden dergestalt vergeben, dass bei einer Besucheranfrage die Museumspädagoginnen einen möglichen Rundgangleiter angefragt haben, ob dieser die Führung übernehmen könne. In der Annahme der einzelnen Führungen war der Beigeladene zu 1) frei. Bei einer ganz kurzfristigen Verhinderung konnten die Museumspädagoginnen einen Rundgang übernehmen. Zunächst wurde aber seitens der Klägerin versucht, einen anderen Rundgangleiter einzusetzen.
Bei den Führungen handelte es sich um Audioführungen, die etwa 90 Minuten dauerten. Eine Evaluierung ein- oder zweimal jährlich diente der Prüfung, ob die Intention der Ausstellung richtig vermittelt wurde. Bei einer Evaluierung schaltete eine Museumspädagogin sich ohne Wissen des Rundgangleiters in die Audioführung ein, verfolgte die Ausführungen des Rundgangleiters und gab anschließend Feedback.
Im März 2012 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen mit "Freier Mitarbeitervertrag Rahmenvereinbarung" überschriebenen Vertrag für die Zeit ab 01.03.2012 bis 28.02.2013. Eine Änderung der Art der Tätigkeit war damit nicht verbunden. Der Vertrag enthielt in Auszügen folgende Regelungen:
§ 1 Vertragsgegenstand:
1. Die Dienstleistung des freien Mitarbeiters (Rundgangleiters) umfasst vereinbarte Führungen und Workshops. Der freie Mitarbeiter erbringt die Leistung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als selbständiger Unternehmer.
2. Bei der Durchführung ist er Weisungen des Instituts nicht unterworfen. Nicht Weisungen im vorstehenden Sinne sind jedoch allgemein erlassene Regelungen, die bei ihm und in seinem Institut für jeden Dritten gelten sowie (fachliche) Vorgaben, die für die Durchführung der Tät...