Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheinselbständigkeit in Call-Centern
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung abhängige Beschäftigung - selbständige Tätigkeit
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. April 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine mittlerweile beendete Tätigkeit des Beigeladenen als Telefonkraft in einem Call-Center als beitragspflichtige Beschäftigung zu qualifizieren ist.
1. Die Klägerin ist ein in A-Stadt ansässiges Unternehmen mit dem für den streitigen Zeitraum handelsregisterlich eingetragenen Geschäftszweck "Konzeption und Durchführung von Absatzförderungsmaßnahmen, sowie Überwachung in der Ausführungsphase - Direktvertrieb von Drittprodukten und Dienstleistungen über eigene Telefonmarketingzentrale -Übernahme von Aufgabenbereichen im Vertriebs- und Marketingwesen von dritten Unternehmen". Sie betreibt u. a. ein Call-Center, für das der Beigeladene vom 03.07.2000 bis 16.01.2001 tätig war. Seine Aufgabe bestand im Wesentlichen in der Vermarktung einer Frankiermaschine für den gewerblichen Gebrauch des Herstellers P.. Die Maschine war für die damals anstehende DM/Euro-Umstellung speziell eingerichtet und sollte mit Hilfe der Klägerin zeitnah intensiv in den Fachverkauf gebracht werden.
Die Klägerin beantragte am 09.08.2000, den sozialversicherungsrechtlichen Status mehrerer in ihrem Call-Center für das P.-Projekt Tätiger, zu denen auch der Beigeladene zählte, als nicht beitragspflichtig festzustellen. Mit Antrag vom 12.12.2000 begehrte der Beigeladene die gleiche Feststellung und gab dazu an, er sei für die Klägerin sowie für zwei weitere Auftraggeber im Telefon-Marketing tätig, könne Aufträge frei annehmen oder ablehnen und er setze eigenes Kapital zur Akquise ein. Im Anhörungsverfahren legte der Beigeladene u.a. einen dreiseitigen Gesprächsleitfaden der Firma P. vor mit detaillierten Musterantworten auf regelmäßige Kundeneinwände. Mangels weiterer Angaben der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17.09.2001 gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen eine beitragspflichtige Tätigkeit fest. Die Klägerin stelle kostenlos alle Arbeitsmittel zur Verfügung und mache Vorgaben zu Art und Umfang der Tätigkeiten und wohl ebenso zur zeitlichen Ausgestaltung. Die Bezahlung erfolge arbeitnehmertypisch nach den geleisteten Stunden. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht zu erkennen, eigene Betriebsmittel des Beigeladenen seien nicht vorhanden.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, die freien Telefonmitarbeiter hätten ein eigenes Gewerbe angemeldet, seien für mehrere Auftraggeber tätig, könnten ihre Tätigkeitszeit frei bestimmen und unterlägen bei der Telefontätigkeit keinen fachlichen Weisungen.
Den abweisenden Widerspruchsbescheid vom 23.08.2004 begründete die Beklagte damit, dass eine abhängige Beschäftigung bestehe, weil der Beigeladene kein eigenes Kapital einsetze , kein Unternehmerrisiko trage, funktionsgerecht in einen vorgegebenen Betriebsablauf eingegliedert und an einem für ihn freigehaltenen Arbeitsplatz der Klägerin tätig sei.
2. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben, Feststellung einer nicht abhängigen Tätigkeit des Beigeladenen für die Zeit vom 03.07.2000 bis 16.01.2001 beantragt im wesentlichen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens sowie mit dem Hinweis darauf, dass der Beigeladene seit 17.08.1999 ein selbständiges Gewerbe im Telefonmarketing angemeldet hatte.
Auf Anfrage des Gerichts hat der Beigeladene erläutert, im streitigen Zeitraum habe er neben der Klägerin weitere acht Auftraggeber akquiriert, über ein selbst ausgestattetes home-office verfügt, eine Stundenvergütung von 25,00 DM, später 28,00 DM und nochmals später 24,00 DM zuzüglich Erfolgsprovision pro verkaufter Frankiermaschine erhalten, keine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen und im Falle der Verhinderung keinen Vergütungsanspruch gehabt. Die fast ausschließliche Tätigkeit habe in der Vermarktung der Frankiermaschine P. bestanden, was aus technischen Gründen nur vom Call-Center der Klägerin zu bewerkstelligen gewesen sei. Dazu habe er mit der Klägerin die Arbeitszeit verabredet, die die Klägerin in eine Wochenliste eingetragen habe. Nach diesen Listen habe die Klägerin auch die Arbeitsplätze des Call-Centers verteilt und ausgerichtet. Es habe eine Berichtspflicht für die erledigten Telefonate bestanden im Projekt für die Firma P.. Diese Firma habe auch die Telefonkräfte im Call-Center zur Art der zu führenden Telefonate eingeführt bzw. angewiesen sowie einen Leitfaden ausgegeben. Zwar sei er - der Beigeladene - nicht zur höchstpersönlichen Arbeitsleistung verpflichtet worden, faktisch wäre aber eine Weitervergabe in Sachen Frankiermaschine auf Dritte Person aus Sachgründen, vor allem wegen der fehlenden unverzichtbaren Einweisung vor Ort unmöglich ge...