Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung einer Berufskrankheit. chronisch-rezidivierenden Urtikaria bei einem Landwirt als Berufskrankheit. Anforderungen an die Kausalität zwischen beruflicher Belastung und Krankheitsbild. Voraussetzung der Anwendung der gesetzlichen Vermutungsregeln zur Feststellung einer Berufskrankheit bei einem untypischen Krankheitsbild

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anerkennung einer "chronisch-rezidivierenden Urtikaria" als BK nach der Nr. 5101 der Anlage zur BKV bei einem Landwirt.

 

Orientierungssatz

1. Die Anerkennung einer Hauterkrankung eines Landwirts (hier: Urtikaria (Nesselsucht)) als Berufserkrankung kommt nicht in Betracht, wenn die Symptomatik von keinem der Stoffe bzw. Tiere ausgelöst wurde, mit denen der Landwirt im Rahmen seiner Tätigkeit in Kontakt kam, da es insoweit an einer Kausalität zwischen Tätigkeit und Erkrankung fehlt.

2. Die Anwendung der gesetzlichen Vermutung einer Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 3 SGB 7 scheidet aus, wenn die Erkrankung (hier: Nesselsucht bei einem Landwirt) einen untypischen Verlauf aufweist und mit während der Ausübung der beruflichen Tätigkeit erfahrenen Stoffbelastungen nicht in Zusammenhang gebracht werden kann.

3. Einzelfall zur Annahme einer Nesselsucht (Urtikaria)Berufskrankheit in Form einer Hauterkrankung bei einem Landwirt (hier: abgelehnt).

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.01.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer "chronisch-rezidivierenden Urtikaria" als Berufskrankheit (BK) nach der Nr 5101 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Am 14.02.1998 ging der Arztbericht des Hautarztes Dr. K. bei der Beklagten ein, wonach beim Kläger seit Mai 1997 eine Hauterkrankung am ganzen Körper, an den Beinen und am Rücken bestehe. Der Kläger habe beruflich Kontakt mit Rindern. Im Zeitraum vom 15.11.1999 bis 30.11.1999 hielt sich der Kläger stationär zur Behandlung in der P.-Klinik, Interdisziplinäres Therapiezentrum GmbH, Fachklinik für Dermatologie und Allergologie, auf. Trotz umfangreicher Labortests konnte laborchemisch keine Ursache für die urtikariellen Hautreaktionen gefunden werden. Aufgrund hausärztlicher Berichte vom 10.02.1998 und 16.12.1999 sowie eigener Besichtigung des Arbeitsplatzes und Untersuchung des Klägers am 01.03.2000 stellte der Gewerbearzt Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 06.03.2000 fest, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Hautkrankheit und der beruflichen Tätigkeit bisher nicht wahrscheinlich zu machen sei. In der P.-Klinik sei eine Sensibilisierung gegen Rinderepithelien nicht gesichert worden. Telefonisch teilte die Ehefrau des Klägers mit, dass im letzten Jahr im Skiurlaub in der Schweiz von Seiten der Haut bei ihrem Ehemann erstmals keine Beschwerden aufgetreten seien. Bei der Behandlung im Klinikum der Universität R., Klinik für Dermatologie, sei eine Allergie auf Milben festgestellt worden, insbesondere auf solche, die im Heu und in anderen Berufsstoffen der Landwirtschaft vorkämen.

Gestützt auf die Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr. G. vom 15.09.2001 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.09.2001 die Anerkennung einer BK der Haut ab. Weder in der P.-Klinik noch in der Dermatologischen Universitätsklinik R. seien berufsspezifische Sensibilisierungen nachgewiesen worden, so dass eine beruflich bedingte Hauterkrankung im Sinne des Berufskrankheitenrechts nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Erstattung eines dermatologischen Gutachtens durch die Hautärztin Dr. S. vom 10.05.2003 - gestützt auch auf die Stellungnahme des Facharztes für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin Dr. G. vom 21.07.2002 - mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2002 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11.09.2002 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen hat im Auftrag des SG Prof. Dr. D. nach ambulanter Untersuchung des Klägers gemäß § 106 SGG am 19.03.2003 ein Gutachten erstattet und darin die Auffassung vertreten, dass die Urtikaria als Folge einer Typ I-Sensi-bilisierung gegen Vorratsmilben nicht eindeutig gesichert werden könne. Anschließend hat auf Antrag des Klägers Prof. Dr. L. gemäß § 109 SGG am 30.10.2003 ein Gutachten erstattet und ist darin zur Beurteilung gelangt, dass die vom Kläger nach Art, Ausmaß und Dauer ausgeübte Tätigkeit eines Landwirts mit überwiegender Milchwirtschaft und Rinderzucht geeignet gewesen sei, eine allergische Rhinitis sowie zumindest eine Verschlimmerung der chronisch-rezidivierenden Urtikaria aufgrund einer beruflich erworbenen Typ I-Sensibilisierung auszulösen. Nachdem Dr. G. ein Gutachten nach Aktenlage vom 21.01.2004 erstattet und Prof.Dr. L. am 21.06.2004 und 15.02.2005, Dr. G. am 16.08.2004 und Prof.Dr. D. am 27.12.2004 ergänzend Stellung genommen hatten, hat im Auftrag...

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