Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. Unfallkausalität. Alkoholisierung. kein Nachweis: absolute oder relative Fahruntüchtigkeit. bestehende chronische Alkoholerkrankung. rauscharmes Trinken. Beweislast
Leitsatz (amtlich)
1. Im Fall einer Alkoholerkrankung oder einer Alkoholabhängigkeit im Sinne eines rauscharmen Trinkens bzw eines gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauchs mit gesteigerter Alkoholtoleranz ist der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Wegeunfällen nur dann ausgeschlossen, wenn im konkreten Einzelfall durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen ist, dass Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt vorlag und diese die allein wesentliche Ursache des Unfalls war. Die Feststellung der BAK allein gibt in diesen Fällen keine ausreichende Sicherheit für die Dosis-Wirkungsbeziehung, da der chronische Alkoholkonsum eine erhöhte Alkoholtoleranz bewirken kann. Kann Fahruntüchtigkeit auch unter Berücksichtigung weiterer Beweisanzeichen nicht nachgewiesen werden, bleibt der grundsätzlich bestehende Versicherungsschutz erhalten.
2. Kann absolute oder relative Verkehrsuntüchtigkeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, geht dies nach Ausschöpfung aller Beweismittel zu Lasten des Versicherungsträgers, bei dem die Feststellungslast dafür liegt. Ist eine Feststellung der BAK zum Unfallzeitpunkt nicht vorliegend, weil der Versicherte sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, kann dies grundsätzlich im Rahmen der Beweiswürdigung ausreichend berücksichtigt werden. Geltend gemachte Beweisschwierigkeiten rechtfertigen weder eine Art "Beweislastumkehr" noch die Annahme eines Beweisnotstandes und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen. Dies würde dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung widersprechen. Eine "Umkehr der Beweislast" scheidet daher im Unfallversicherungsrecht grundsätzlich aus.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.03.2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2006 aufgehoben und festgestellt, dass der Verkehrsunfall vom 05.09.2005 ein Arbeitsunfall ist.
II. Die Beklagte erstattet dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung des Verkehrsunfalls vom 05.09.2005 als Arbeitsunfall.
Der 1958 geborene Kläger, Mitarbeiter des Bauhofs der Gemeinde R., erlitt am 05.09.2005 auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstelle gegen 15.50 Uhr auf der Gemeindeverbindungsstraße A-Stadt einen Verkehrsunfall, indem sein Wagen in einer Linkskurve nach links von der Fahrbahn abkam. Das Fahrzeug überschlug sich und kam in einer Wiese zum Liegen. Der Kläger zog sich eine Fraktur der Halswirbelsäule zu. Weitere Personen waren nicht beteiligt. Bei dem Unfall entstand ein Sachschaden in Höhe von 550,00 EUR. Der Kläger wurde wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt. Ermittlungen wegen einer Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr wurden nicht eingeleitet.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die Akten der Staatsanwaltschaft R. sowie die Unterlagen des Krankenhauses St. J., R., bei. Aus den Akten der Staatsanwaltschaft ergibt sich, dass der Zeuge B., der nur einige Meter von der Unfallstelle entfernt wohnt, dem Kläger unmittelbar nach dem Unfall aus dem Fahrzeug geholfen hat. Dieser gab gegenüber der Polizei an, der Kläger sei nur leicht am Arm verletzt gewesen und sei gleich nach dem Unfall in Richtung R. weggegangen. Der Zeuge erklärte, seiner Ansicht nach sei der Kläger nicht betrunken gewesen. Die Suche der Polizei nach dem Kläger blieb erfolglos. Aus den Krankenunterlagen ergibt sich, dass dieser am Unfalltag um 20.30 Uhr im Krankenhaus St. J. in R. aufgenommen wurde. Der Kläger wurde von einer - nicht mehr zu ermittelnden Person - dorthin gebracht. Es wurden eine Fraktur des zweiten Halswirbels und das Vorliegen einer Alkoholerkrankung festgestellt. Die Blutentnahme im Krankenhaus ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,5 ‰. Vermerkt wurde, dass der Kläger bei der Einlieferung angegeben habe, er sei bei der Montage eines Hundezwingers gegen 16.30 Uhr von der Staffelei gefallen.
Mit Bescheid vom 23.03.2006 lehnte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ab. Beim Kläger habe aufgrund der BAK von 1,5 ‰ absolute Fahruntüchtigkeit vorgelegen. Da es keinen Hinweis auf eine andere Unfallursache gebe, sei die durch den Alkoholgenuss bedingte Fahruntüchtigkeit die allein rechtlich wesentliche Ursache für das Zustandekommen des Unfalls gewesen.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er habe den Alkohol erst nach dem Unfall zu sich genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei bei optimalen Verkehrsverhältnissen von der Fahrbahn abgekommen. Dies lasse sich ni...