Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung
Leitsatz (amtlich)
Zur Einordnung eines nur einmal im Jahr stattfindenden, dreitägigen Musikfestivals als Großveranstaltung
Orientierungssatz
1. Eine Abgabepflicht liegt auch vor, wenn die Einrichtung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich.
2. Bei einer Veranstaltung, die - wenn auch regelmäßig - nur einmal im Jahr durchgeführt wird, wird eine Nachhaltigkeit nur dann angenommen, wenn es sich um die Organisation einer mehrere Tage oder Wochen umfassenden Großveranstaltung mit umfangreichen Planungs- und Vorbereitungsarbeiten handelt und für die Veranstaltung auch selbstständige Künstler engagiert werden (BSG, 16. April 1998, B 3 KR 5/97 R). Hierbei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Maßgeblich sind die konkreten, tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls.
3. Auch ob ein dreitägiges Veranstaltungswochenende als eine einheitliche Veranstaltung oder als Reihe von drei Veranstaltungen zu bewerten ist, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung (BSG, 8. Oktober 2014, B 3 KS 6/13 R).
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.02.2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Klägerin und Berufungsklägerin ist der Verein "A. e.V.". Er begehrt im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) die Aufhebung der Abgabepflicht zur Sozialversicherung gemäß dem Bescheid der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 16. Juni 1992.
Sitz des Vereins ist A-Stadt. Zweck ist gemäß § 2 der Satzung des Vereins vom 19. August 1999 die Förderung der Kultur und der Entwicklungshilfe. Der Satzungszweck wird nach Satz 2 verwirklicht durch die Abhaltung kultureller Veranstaltungen (z.B. Konzerte) und die Überlassung finanzieller Mittel an andere Körperschaften zur Förderung von Entwicklungshilfeprojekten. Im Sinne des ersten Zwecks veranstaltet der Verein einmal jährlich ein dreitägiges Open-Air-Festival unter der Bezeichnung "H.", bei dem neben arrivierten Bands auch lokale Nachwuchs-Bands aus dem Umkreis zum Auftritt gelangen. Im Schnitt treten zehn bis 13 Künstler auf. Einnahmen werden durch den Verkauf von Eintrittskarten, Speisen, Getränken und Trinkgefäßen erzielt. Der Umsatz beläuft sich auf ca. 100.000,- EUR. Gemäß dem zweiten Satzungszweck werden Spenden aus dem Gewinn an Einrichtungen zur Förderung der Kultur und der Entwicklungshilfe getätigt.
Mit dem Bescheid vom 16. Juni 1992, gerichtet an den damaligen Leiter der "Konzertdirektion", stellte die Beklagte in Form der Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen, Künstlersozialkasse, die grundsätzliche Abgabepflicht der Klägerin nach § 24 des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) seit 1. Januar 1983 fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Nach Erlass eines Schätzbescheides vom 21. Dezember 1992 für die Jahre 1987 bis 1991 in Höhe von 45.358,17 DM wurde mit Schreiben vom 29. Dezember 1992 Widerspruch "gegen den Feststellungsbescheid vom 21.12.1992 in Höhe von DM 45.358,17" eingelegt. Hinsichtlich des Schätzbescheides erging am 15. Februar 1993 ein Abhilfebescheid. In der Folgezeit ergingen regelmäßig Abrechnungen der Künstlersozialabgabe.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2010 erließ die Beklagte einen Bescheid über die Abrechnung der Künstlersozialabgabe 2009 in Höhe von 515,55 EUR. Mit Schreiben vom 17. März 2011, eingegangen am 23. März 2011, wandte sich die Klägerin gegen die Künstlersozialabgabe für das Kalenderjahr 2010; sie wandte sich gegen die Abgabepflicht und bat um Prüfung, ob eine Befreiung von der Abgabepflicht auch rückwirkend möglich sei. Der Verein sei als gemeinnütziger Verein anerkannt. Es werde nur einmal jährlich eine Veranstaltung durchgeführt. Die Beklagte legte dies als Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) aus.
Ein weiterer Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2011 betraf die Abrechnung der Künstlersozialabgabe für 2010 (1.189,50 EUR).
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Überprüfung ab. Es bestehe eine Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG. Der wesentliche Zweck eines Unternehmens sei dann darauf gerichtet, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Leistungen zu sorgen, wenn der Schwerpunkt der Interessen und der Praxis auf die öffentliche Aufführung bzw. Darbietung gerichtet sei und andere - nicht kommerzielle Zwecke - in den Hintergrund träten. Dabei sei auch aus dem Internetauftritt der Klägerin zu ersehen, dass die regelmäßige Veranstaltung des Festivals H. einen Schwerpunkt der Vereinsarbeit darstelle, zumal sie nur mit weitreichender Organisation und finanziellem Aufwand verwirklicht werden könne...