Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2106. erfasste Krankheit. neue Bezeichnung. wissenschaftliche Begründung. Carpaltunnelsyndrom. Quasiberufskrankheit. neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. erhöhtes Erkrankungsrisiko. Überprüfung durch Ärztlichen Sachverständigenbeirat. Sperrwirkung
Orientierungssatz
Zur Nichtanerkennung eines Carpaltunnelsyndroms (CTS) einer Friseurin weder als Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2106 idF vom 5.9.2002 (neue Bezeichnung ab 1.10.2002) noch als Quasiberufskrankheit gem § 9 Abs 2 iVm Abs 1 S 2 SGB 7 wegen der eingetretenen Sperrwirkung durch das noch laufende Überprüfungsverfahren des Ärztlichen Sachverständigenbeirats.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 08.03.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Klägerin werden Kosten gemäß § 192 Abs.1 Nr.2 SGG in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung eines Carpaltunnelsyndroms (CTS) als Berufskrankheit (BK).
Die 1959 geborene Klägerin übt seit 1974 den Beruf einer Friseurin aus.
Mit Schreiben vom 11.08.2003 machte sie das Vorliegen eine Berufskrankheit aufgrund starker Schmerzen in der rechten Hand geltend.
Dr. W./Dr. L./Dr. E., Chirurgen, zeigten mit Schreiben vom 20.08.2003 ein CTS rechts als Berufskrankheit an.
Mit Bescheid vom 18.09.2003 lehnte die Beklagte das Vorliegen einer Berufskrankheit ab. Die Erkrankung - CTS - sei nicht in der entsprechenden Liste zur BKV aufgeführt. Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs.2 SGB VII seien nicht gegeben.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. D. , Gewerbearzt des Gewerbeaufsichtsamtes R., vom 08.01.2004 ein. Dieser wies darauf hin, dass die Diskussion über ein evtl. höheres berufliches Risiko, in bestimmten Berufen ein CTS zu bekommen, noch nicht abgeschlossen sei. Eine ausreichende Haftungsbegründung sei beim Beruf einer Friseurin nicht gegeben. Die Anerkennung einer Berufskrankheit werde nicht empfohlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2004 zu verurteilen, das CTS wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs.2 SGB VII anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen.
Sie machte geltend, sie sei in der Zeit vom 28.07.2003 bis 03.11.2003 und vom 02.11.2005 bis 30.01.2006 an beiden Händen an dem CTS erkrankt. Als Angehörige der Berufsgruppe der Friseure sei sie durch die versicherte Tätigkeit in einem erheblich höheren Maß als die übrige Bevölkerung entsprechenden Beeinträchtigungen gesundheitlich ausgesetzt.
Mit Urteil vom 08.03.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine gruppentypische Risikoerhöhung sei nicht gegeben, da keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Berufsgruppe, der die Klägerin angehöre, in einem höheren Maße an einem CTS leide als die übrige Bevölkerung.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Durch § 9 Abs.2 SGB VII sollten Härten ausgeglichen werden, die durch das Listensystem des § 9 Abs.1 SGB VII im Hinblick auf solche Krankheiten entstehen würden, die nicht oder noch nicht in die BKV aufgenommen worden seien. Auch in der Empfehlung der Kommission von 19.09.2003 über die Europäische Liste der Berufskrankheiten sei das CTS als Berufskrankheit angeführt.
Der Senat hat eine Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMA), Ärztlicher Sachverständigenbeirat, vom 17.08.2007 eingeholt. Das Ministerium hat mitgeteilt, bei der Beurteilung, ob das CTS als BK anerkannt werden könne, bestünden hohe Anforderungen, vorhandene Studien und andere Erkenntnisquellen zu prüfen und zu bewerten. Im Beratungsprozess werde die wissenschaftliche Aussagekraft gerade von epidemiologischen Studien zu dieser Thematik kritisch hinterfragt. Ein nicht unerheblicher Anteil dieser Studien könne nicht verwendet werden. Die Beratungen seien daher noch nicht abgeschlossen. Angesichts der Kapazitätsgrenzen der Mitglieder sei mit einem zeitnahen Beratungsergebnis zum CTS nicht zu rechnen.
Die Klägerin beantragt,
ein Gutachten nach § 106 SGG einzuholen, dass zwischen der Erkrankung der Klägerin an einem Carpaltunnelsyndrom und der beruflichen Tätigkeit ein überwiegender Ursachenzusammenhang besteht und die Berufsgruppe der Friseure/innen ein gruppenspezifisches Risiko der Erkrankung an einem Carpaltunnelsyndrom hat. Im Übrigen, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 08.03.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2004 aufzuheben und festzustellen, dass die bei ihr vorliegende Erkrankung eines CTS als Berufskrankheit bzw. wie eine Berufskrankheit anzuerkennen ist.
Die Bek...