Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.09.2004 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 31.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2002 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Hinterbliebenenrente.

Der 1946 geborene und bei der Beklagten versichert gewesene H. S. (Versicherter) bezog ab 01.01.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) zunächst auf Zeit bis 30.06.1997 und anschließend auf Dauer. Während eines stationären Aufenthalts im Kreiskrankenhaus K. im Januar/Februar 2001 wurde eine unklare Raumforderung am linken Lungen-Hilus diagnostiziert, die sich als kleinzelliges Bronchial-Carcinom herausstellte. Deswegen wurden am 16.03.2001 der linke Lungen-Oberlappen rezesiert und die Lymphknoten aus dem Lappenspalt und dem aorto-pulmonalen Fenster entfernt. Bis Juli 2001 erfolgten vier Zyklen Chemotherapie. Im Februar 2002 trat eine Neumetastasierung der Schädelkalotte, des BWK 4/LWK 1 und der Leber auf. Weitere Metastasen führten ab 15.04.2002 zum letzten stationären Aufenthalt des Versicherten in der Med. Uniklinik W.. Dort verstarb dieser am 03.05.2002.

Am 27.06.2002 beantragte die Klägerin, die den Versicherten im Rahmen einer Notfalltrauung auf der Station am 29.04.2002 geheiratet hatte, Hinterbliebenenrente, wobei sie geltend machte, es sei der ausdrückliche Wunsch des Versicherten gewesen, die Ehe mit ihr einzugehen. Der Versicherte und sie seien davon ausgegangen, dass nach überstandener schwerer Erkrankung eine dauerhafte Genesung eintreten werde. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei mit einem alsbaldigen Ableben des Versicherten nicht zu rechnen gewesen. Mit Bescheid vom 31.07.2002 und Widerspruchsbescheid vom 18.10.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenrente ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Rente, da die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe. Die tödlichen Folgen einer Krankheit, die im Zeitpunkt der Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen seien, seien zwar grundsätzlich Tatbestände, die geeignet seien, die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe zu widerlegen; maßgebend seien jedoch die Umstände des Einzelfalles. Da der Untersuchungsgrundsatz der Beklagten seine Grenze im Bereich der privaten Lebensführung habe, liege es nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast an der Hinterbliebenen selbst, die besonderen Umstände nachzuweisen, die die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegten. Dieser Beweis sei vorliegend jedoch nicht erbracht worden.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe mit dem Versicherten bereits seit 14 Jahren eheähnlich zusammengelebt. Eine Heirat sei nicht erfolgt, da der Versicherte an Trunk- und Spielsucht gelitten habe. Sie habe ihm in Aussicht gestellt, ihn zu heiraten, sobald er dieses Suchtverhalten überwunden habe. Es sei dann die Eheschließung im Laufe des Jahres 2001 geplant worden. Im Hinblick und in Rücksichtnahme auf die schwere Erkrankung sei die Eheschließung deshalb zunächst verschoben worden. Zum Zeitpunkt der Eheschließung seien der Versicherte und sie davon ausgegangen, dass dieser bald wieder vollständig genesen werde und endlich die lang ersehnte gemeinsame glückliche Zukunft vor ihnen liegen würde, nachdem ärztlicherseits bestätigt worden sei, dass mit einer baldigen Genesung des Versicherten zu rechnen sei.

Mit Urteil vom 15.09.2004 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) die Beklagte verurteilt, der Klägerin die gesetzliche Witwenrente aus der Versicherung des H. S. zu gewähren. Nach dem ersten Anschein könne die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zwar zutreffen. Es lägen aber ausreichende äußere Umstände vor, die die gesetzliche Vermutung widerlegten. Die Klägerin habe bereits vor der Eheschließung eigene Rentenleistungen in einer Höhe bezogen, die deutlich über dem Sozialhilfebedarf liegen. Bei einer Rentenhöhe von 800,00 EUR monatlich könne grundsätzlich von einer ausreichenden Versorgung ausgegangen werden. Hinzu komme, dass die zuletzt vom Versicherten bezogene Rente um mehr als die Hälfte niedriger gewesen sei. Deshalb sei die von der Klägerin zu erwartende Witwenrente im Verhältnis zu ihrer eigenen Versorgung gering. Diese Umstände ließen das mögliche Motiv einer Versorgungsehe deutlich in den Hintergrund treten. Jedenfalls könne nicht mehr angenommen werden, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Schließlich sei auch zu bedenken, dass die Ehegatten vor der Eheschließung bereits 14 Jahre in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt hätten. Auch dies lasse für die vom Gesetzgeber gewollte gesetzliche Vermutung nur wenig Raum.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgebracht, dass eine seit Jahren bestehende eheähnliche Gemeinschaft gerade für das ...

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