nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Feststellung einer asbestbedingten Lungenkrankheit als Berufskrankheit

 

Leitsatz (redaktionell)

Der für die Anerkennung als Berufskrankheit notwendige Zeitpunkt des Beginns von asbestbedingtem Lungenkrebs kann wegen Beweisnotstands des Erkrankten u.U. auch dann als bewiesen angesehen werden, wenn der wirkliche Beginn wegen damaligen Fehlens entsprechender Untersuchungsmöglichkeiten (hier: Computertomographie) nicht mit letzter Sicherheit feststellbar ist.

 

Normenkette

BKVO Anl. Nr. 4104 Fassung: 1988-03-22; BKVO-ÄndV Art. 3 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1988-03-22; RVO § 551 Abs. 1; SGB VII § 212

 

Verfahrensgang

SG Würzburg (Entscheidung vom 22.01.2003; Aktenzeichen S 11 U 211/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.01.2003 aufgehoben und der Bescheid vom 02.03.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2001 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, bei dem Kläger eine Berufskrankheit Nr 4104 nach der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung dem Grunde nach anzuerkennen.

III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Adeno-Carzinoms als Berufskrankheit (BK) nach Nr 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der 1932 geborene Kläger war ab August 1955 als Schichtarbeiter bei der B. AG tätig. Er übte dort den Beruf eines Kesselwärters aus. Dabei fielen Steuerungs- und Überwachungstätigkeiten, teilweise auch Reparaturarbeiten an. Nach Angaben des Arbeitgebers vom 09.08.2000 befand sich Asbeststaub überall im Kesselhaus feinstverteilt in der Luft, insbesondere Weißasbest und Blauasbest. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) bestätigte mit Stellungnahme vom 19.09.2000 den langjährigen intensiven Asbestkontakt des Klägers während seiner Tätigkeit im Kesselhaus. Insbesondere bei Wartungsarbeiten an asbestisolierten Dampfturbinen und Kesselanlagen wurden dabei erhebliche Mengen asbesthaltiger Stäube freigesetzt. Der TAD bejahte die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK nach Nr 4103.

In der ärztlichen Anzeige über eine BK vom 27.03.2000 sah Dr.Z. (Institut für Arbeits- und Sozialmedizin und Poliklinik für Berufskrankheiten der Universität E.) den Verdacht auf das Vorliegen einer Asbeststaub-assoziierten BK gemäß Nr 4103 aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 18.01.2000 als begründet an. Da der Kläger bereits 1983 wegen eines Bronchialcarzinoms operiert worden sei, bestehe auch der Verdacht auf das Vorliegen einer BK nach Nr 4104.

Die Beklagte zog die ärztlichen Unterlagen des Versorgungsamtes W. bei. Darin war im Arztbericht der Chir. Universitätsklinik W. vom 06.06.1983 ersichtlich, dass der Kläger im Mai 1983 wegen eines Adeno-Carzinoms des rechten Lungenmittellappens operiert worden war. Die Beklagte holte weiterhin Befundberichte des Internisten Dr.R. vom 31.05.2000, des Allgemeinarztes S. vom 17.07.2000, der Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie der Universität W. vom 25.07.2000 (einschließlich des Histologieberichtes von Prof. Dr.A. vom 18.04.1983) ein. Sodann erstellte der Internist Dr.R. am 14.11.2000 ein internistisch-pneumologisches Gutachten. Er bestätigte eine Asbeststauberkrankung der Pleura mit verkalkenden Pleuraplaques und das Vorliegen der BK Nr 4103 nach der Anlage zur BKV. Ein höhergradiger Körperschaden sei aber nicht eingetreten, insbesondere keine Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit unter 10 vH einzuschätzen. Die Beeinträchtigungen aufgrund der Entfernung des rechten Lungenunter- und -mittellappens als Folge des Adeno-Carzinoms (1983) seien unabhängig von der BK.

Nach gewerbeärztlicher Stellungnahme des MD Dr.S. vom 06.02.2001 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 02.03.2001 die BK Nr 4103 nach der Anlage zur BKV an mit den Folgen: Zahlreiche umschriebene, zum Teil verkalkte Pleuraplaques entlang beider Lungenober-, -mittel- und -unterfelder. Nicht anerkannt als Folgen der BK wurden: Restriktive und obstruktive Ventilationsstörung sowie Verschwielung des rechten Rippenfells nach Entfernung des Lungenmittel- und -unterlappens nach Bronchialcarzinom. Die Beklagte ging davon aus, dass der Versicherungsfall der BK am 18.01.2000 eingetreten ist. Einen Anspruch auf Rente bei fehlender Lungenfunktionseinschränkung hat sie verneint.

Im Widerspruchsverfahren begehrte der Kläger die Entfernung des Lungenmittel- und Lungenunterlappens als BK nach Nr 4103 bzw. 4104 der BKV anzuerkennen und zu entschädigen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2001 zurück und lehnte zugleich die Anerkennung einer BK nach Nr 4104 ab.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die Krebserkrankung der Lunge als BK nach Nr 4104 anzuerkenn...

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