Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4103. arbeitstechnische Voraussetzung. Asbestexposition. Vorliegen des Erkrankungsbildes einer Asbestose oder der Pleura. Beweismaß: Vollbeweis. radiologischer Befund. Schornsteinfeger. Heizer. Lungenfibrose

 

Leitsatz (amtlich)

Als Tatbestandsvoraussetzung der Berufskrankheit Nr 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung muss neben der Exposition gegenüber Asbest während der versicherten Tätigkeit eine Asbestose oder eine Erkrankung der Pleura voll bewiesen sein (Anschluss an BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 25/03 = ZfS 2005, 173).

Für die Diagnose einer Asbestose ist der radiologische Befund entscheidend.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 25. April 2017 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) Nr 4103 (Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura) streitig.

Der 1951 geborene Kläger erlernte von September 1967 bis August 1970 den Beruf des Schornsteinfegers und war von November 1973 bis Dezember 1982 und von Januar 1990 bis Dezember 2011 in diesem Beruf tätig. In diesem Zeitraum war er von Januar 1992 bis 8. März 1999 und vom 1. Oktober 2002 bis 3. Februar 2004 selbständig tätig ohne Unternehmerversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Vom 1. Juli 2001 bis 30. September 2002 war er arbeitsunfähig erkrankt. Vom 24. Januar 1983 bis 28. Mai 1984 arbeitete der Kläger als Heizer (Leiter) im Braunkohleheizkraftwerk der Deutschen Reichsbahn in F.. Vom 3. Juli 1984 bis 28. Februar 1985 war er als Heizer in der Großbäckerei G. beschäftigt, vom 1. März 1985 bis 31. Dezember 1988 ebenfalls als Heizer beim Q. in H..

Im Januar 2012 erfolgte ein stationärer Aufenthalt in den I. in J., dort wurde ein CT des Thorax durchgeführt und der Verdacht auf eine Lungenfibrose erhoben (Bericht vom 20. Januar 2012). Am 19. August 2013 zeigte der Kläger der Beklagten eine BK an.

Der Mitarbeiter K. des Präventionsdienstes der Beklagten ermittelte für die (versicherten) Tätigkeitszeiträume als Schornsteinfeger auf der Grundlage des BK-Reports 1/2013 1 Faserjahr Dipl-Ing L. (Eisenbahn-Unfallkasse) errechnete für die Tätigkeit bei der Deutschen Reichsbahn 0,5 Faserjahre. Dr M. (Geschäftsbereich Prävention der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN)) verneinte eine Asbestexposition in der Großbäckerei F. und im Q.

Die Beklagte holte das Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr N. vom 13. Februar 2014 ein. Die Gutachterin bejahte eine Asbestose und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab Januar 2012 auf 30 vom Hundert (vH). Zur Begründung führte sie aus: Lungenasbestosen kämen auch nach niedriger Asbestexposition vor. Die wichtigste verbleibende Differenzialdiagnose sei die idiopathische Lungenfibrose, die Häufigkeit liege zwischen 0,4-23/10000. Die Häufigkeit einer asbestbedingten Lungenfibrose bei Asbestexponierten liege hingegen im Prozentbereich, sei also sehr viel häufiger. Die im CT des Thorax sichtbaren pleuralen Veränderungen seien für eine asbestbedingte Pleuraerkrankung nicht beweisend, sprächen aber eher für eine Asbestose als für eine idiopathische Lungenfibrose. Auch der relativ stabile Verlauf über gut 2 Jahre spreche gegen eine idiopathische Lungenfibrose.

Dr O. regte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2014 eine weitere medizinische Sachaufklärung an: Beim Kläger liege fraglos eine interstitielle Lungenerkrankung vor, die Ursache sei jedoch unklar. Aus dem radiologischen Befund lasse sich nicht ableiten, dass die Asbeststaubexposition zur Entwicklung der Erkrankung geführt habe. Es fehlten pleurale Asbestinhalationsfolgen, so dass es eine triftige Begründung dafür geben müsse, dass die sehr geringe Asbestexposition ursächlich sei. Neben Asbest gebe es weit über 100 andere mögliche Ursachen für die Entstehung einer interstitiellen Lungenerkrankung. Er empfahl die Einholung einer radiologischen Stellungnahme.

Im radiologischen Gutachten vom 13. August 2014 bewerteten Dr P. und Dr Q. die vorliegenden CT-Aufnahmen: Es gebe keine eindeutigen Hinweise auf eine Asbestfaserstaubassoziation, für eine Asbestexposition hoch signifikante hyaline oder verkalkte Pleuraplaques seien nicht nachweisbar. Die Veränderungen entsprächen dem Bild einer reaktiven Pleurafibrose bei angrenzender Lungenfibrose. Es zeige sich eine Lungenfibrose vom UIP-/IPF-Muster, diese Veränderungen seien radiologisch nicht eindeutig einzuordnen. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 6. September 2014 fasste Dr O. zusammen, dass keine konkreten Hinweise einer Manifestation einer Asbesteinwirkung an den Atemwegen erkennbar seien. Es bestehe die Möglichkeit, nicht jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenh...

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