Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Einrede der Verjährung. Bedeutung von Betriebsprüfungen. fehlende Verurteilungsmöglichkeit des Beigeladenen. bindende Entscheidung des beigeladenen Versicherungsträgers. keine Anwendung der §§ 75 Abs 5 und 181 SGG wegen prozessualem Ausnahmecharakter
Orientierungssatz
1. Regelungszweck des § 181 SGG ist, ebenso wie in §§ 180 und 75 SGG, es verfahrensrechtlich zu ermöglichen, im Sozialrecht widersprechende Entscheidungen zu vermeiden und die materiell-rechtlich richtige Entscheidung ohne Rücksicht auf eine bereits eingetretene Rechtskraft oder Bindungswirkung durchzusetzen. Insofern wird für die Anwendung dieser Vorschrift vorausgesetzt, dass die frühere (bindend oder rechtskräftig gewordene) Entscheidung ihrem materiellen Inhalt nach der nunmehr zu treffenden Entscheidung widerspricht (vgl BSG vom 21.5.1980 - 7 RAr 19/79 = BSGE 50, 111 = SozR 1500 § 181 Nr 1).
2. Die Ablehnung eines Anspruches in § 181 SGG ist etwas anderes als die Erhebung der Einrede der Verjährung, bei der es nicht um den Anspruch geht, sondern um ein Leistungsverweigerungsrecht, dh die Erfüllung des Anspruchs. Auch wenn eine dauernde Einrede dem Anspruch auch auf Dauer entgegensteht und Forderungen, denen eine dauernde Einrede entgegensteht, zivilrechtlich gelegentlich so behandelt werden, wie wenn sie nicht bestünden (zB §§ 813, 814 BGB), lässt sich jedoch daraus kein allgemeiner Grundsatz für die Anwendung des § 181 SGG ableiten. Eine analoge Anwendung des § 181 SGG ist wegen des prozessualen Ausnahmecharakters dieser Vorschrift nicht möglich, es fehlt schon an einer Regelungslücke.
3. § 75 Abs 5 SGG lässt eine Verurteilung des beigeladenen Versicherungsträgers zu, ohne dass dieser zuvor einen Bescheid erlassen oder ein notwendiges Vorverfahren durchgeführt hat. hierfür fehlt es aber an einer Grundlage, wenn der Beigeladene bereits einen bindend gewordenen ablehnenden Bescheid erlassen hat oder rechtskräftig befreit worden ist. § 75 Abs 5 SGG ist nicht als eine andere Bestimmung des Gesetzes iS des § 77 SGG anzusehen, mit der die Schranke der Bindungswirkung durchbrochen werden kann. Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Kläger einen Anspruch auf Rücknahme des früheren Bescheides nach § 44 Abs 1 SGB 10 geltend machen kann. Denn diese Vorschrift betrifft das Verwaltungsverfahren und regelt das Recht der Behörde zur Rücknahme eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes und die Pflicht zu einer eventuellen Neufeststellung. Dagegen kann sie prozessuale Befugnisse des Gerichts nicht erweitern. Dem stehen auch hier der Ausnahmecharakter des § 75 Abs 5 und der Wiederaufnahmevorschriften entgegen (vgl BSG vom 31.5.1988 - 2 RU 67/87).
4. In der Erhebung der Einrede der Verjährung liegt keine unzulässige Rechtsausübung seitens der beigeladenen BA. Zweck der Verjährung ist es, dem Schuldner die Abwehr unbegründeter Ansprüche zu erleichtern. Sie konkretisiert Maximen von Treu und Glauben in Gestalt der allgemeinen Rücksichtnahmepflichten und erspart zugleich Beweiserhebungen. Darüber hinaus dient sie der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Der Rechtsverkehr benötigt klare Verhältnisse und soll deshalb vor einer Verdunkelung der Rechtslage bewahrt bleiben, wie sie bei späterer Geltendmachung von Rechtsansprüchen aufgrund längst vergangener Tatsachen zu befürchten wäre. Aber auch in den Fällen, wo über die tatsächlichen Verhältnisse keine Zweifel bestehen und die Verjährung begründete Ansprüche betrifft, ist sie durch die Gedanken des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit gerechtfertigt.
5. Betriebsprüfungen sollen Beitragsausfälle verhindern helfen und die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor zu bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm eine Entlastung zu erteilen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 21. März 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beigeladene an den Kläger die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vom 01.04.1982 bis 30.11. 1996 zu erstatten hat.
Am 29.01.1982 schlossen der Kläger und die Zeugen K. und M. einen notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag zur Errichtung der S. Fußböden GmbH. Der bei der Beklagten versicherte Kläger war einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer und an der Gesellschaft zu 33,3 % beteiligt. Mit dem gleichfalls notariell beurkundeten Vertrag vom 21.09.1984 wurde die Beteiligung des Klägers auf 48% erhöht. Die von der Beklagten durchgeführten Betriebsprüfungen in den Jahren 1986 un...