Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Vermögensberücksichtigung. selbst genutztes Hausgrundstück. Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der angemessenen Größe. Wohnflächengrenze. Unterkunftskosten. Tilgungsraten
Orientierungssatz
1. Ein selbst genutztes Eigenheim mit einer Wohnfläche von 118qm ist als Hausgrundstück angemessener Größe nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 als Schonvermögen privilegiert, da die anzuwendende Wohnflächengrenze des § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 WoBauG 2 nicht überschritten wird.
2. Der unbestimmte Rechtsbegriff der angemessenen Größe iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 ist allein nach der nach WoBauG 2 als angemessenen angesehenen Größe auszulegen.
3. Für eine Reduzierung der als angemessenen anzusehenden Wohnfläche aufgrund der Größe des Grundstücks oder der Anzahl der Bewohner gibt es keine Rechtsgrundlage.
4. Im Gegensatz zu Schuldzinsen sind Leistungen zur Darlehenstilgung für das selbst genutzten Hausgrundstücks keine berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.
Tenor
I. Die Berufungen der Beklagten und des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15. Februar 2005 werden zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird bezüglich der Berufung der Beklagten zugelassen, bezüglich der Berufung des Klägers wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2005 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehen bzw. ob ihm die Beklagte Leistungen nur als Darlehen, nicht aber als Zuschuss zu erbringen hat.
Der 1948 geborene Kläger ist Alleineigentümer eines 1.000 qm großen Grundstücks in U., das mit einem 118 qm großen Einfamilienhaus bebaut ist und einen Wert von ca. 55.220 EUR hat. Am 30.09.2004 beantragte der Kläger, der mit seiner volljährigen Tochter in Haushaltsgemeinschaft, nicht aber in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 22.12.2004 bewilligte die Beklagte ihm für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2005 monatliche Leistungen in Höhe von 439,78 EUR. Dabei berücksichtigte sie neben 345 EUR Regelleistung 94,78 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm ständen Unterkunftskosten in Höhe von 319,39 EUR zu. Diese würden sich pro Monat wie folgt zusammensetzen: Zins und Tilgung für ein Darlehen 251,00 EUR, Haus- und Grundsteuer 7,41 EUR, Müllabfuhrgebühr 23,60 EUR, Kanalgebühren 19,16 EUR, Friedhofsgebühren 1,33 EUR, Kaminkehrergebühren 5,58 EUR, Gewässerschadenhaftpflichtversicherung 2,37 EUR, Gebäudeversicherung (Brand, Blitz) 2,85 EUR, Gebäudeversicherung (Sturm, Hagel) 6,09 EUR, insgesamt also 319,39 EUR. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2005 zurückgewiesen. Die vom Kläger für die Tilgung eines Darlehens aufzubringenden Kosten von offensichtlich 200,64 EUR, die Friedhofsgebühren und die drei Versicherungen seien nicht zu übernehmen. Als Heizkosten seien 50,94 EUR angemessen.
Auf die dagegen erhobene Klage verpflichtete das SG die Beklagte mit Urteil vom 15.02.2005, dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2005 monatlich 465,50 EUR (statt 439,78 EUR) zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Hilfebedürftigkeit sei für die Zeit vom 01.01. bis 30.04. 2005 nach § 9 Abs. 4 SGB II (gemeint ist wohl § 9 Abs. 1 SGB II) zu bejahen. Nachdem während des vorangegangenen Bezugs von Arbeitslosenhilfe das selbstbewohnte Haus nie in die Bedürftigkeitsprüfung einbezogen worden sei, habe sich der Kläger nicht auf eine andere rechtliche Beurteilung einstellen können. Die sofortige Verwertung des etwa zu berücksichtigenden Vermögens sei jedenfalls für den streitigen Zeitraum nicht möglich gewesen. Bei selbstgenutzten Eigenheimen seien die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen in Orientierung an § 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 der Verordnung zu § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) festzustellen. Es seien somit die Müllabfuhrgebühren, Kanalgebühren, Kaminkehrergebühren sowie die auf das Grundstück entfallenden Steuern zu berücksichtigen. Diese Posten seien dem Grunde und der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig. Dies gelte auch für die Absetzbarkeit der Zinsen. Die Darlehenszinsen hätten für Dezember 2004 29,51 EUR betragen. Damit seien monatlich berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten in Höhe von 85,30 EUR entstanden. Nicht berücksichtigungsfähig seien Aufwendungen für die Versicherungen. Beiträge zu Versicherungen könnten nur im Rahmen von zu berücksichtigendem Einkommen (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) angesetzt werden. Auch die Tilgungsbeträge könnten nicht berücksichtigt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien Aufwendungen zum Zweck der Tilgung von Darlehensschulden deshalb nicht zu den Kosten der Unterkunft zu rechnen, weil das Arb...