Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1317. haftungsbegründende Kausalität. Fehlen von Brückenbefunden. Konkurrenzursache. keine Beweisvermutung gem § 9 Abs 3 SGB 7. Polyneuropathie. toxische Enzephalopathie

 

Leitsatz (amtlich)

Voraussetzungen der Feststellung einer Berufskrankheit im Sinne von BKV Anl 1 Nr 1317.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der Orthopäde Dr. E. teilte der Beklagten mit Berufskrankheitenanzeige vom 23. August 2002 und Schreiben vom 21. Oktober 2002 mit, der 1930 geborene Kläger klage seit etwa vier bis sechs Wochen über Schmerzen in beiden Beinen und Taubheitsgefühle im gesamten Körper als Folgen einer Polyneuropathie. Der Internist Dr. R. bestätigte am 3. September 2002 und 4. Oktober 2002, es bestehe eine Polyneuropathie unklarer Genese. Als Ursache komme ein chronisches LWS-Syndrom, eher jedoch die langjährige Exposition mit organischen Lösungsmitteln in Frage. Toxikologische Untersuchungen könnten wegen des Zeitablaufs nicht mehr durchgeführt werden.

Der Neurologe Dr. L. berichtete am 27. September 2002, der Kläger habe ihn am 18. September 2002 wegen Kribbeln und Kältegefühl in den Füßen aufgesucht. Er habe eine reduzierte Nervenleitgeschwindigkeit im Nervus tibiales und peronäus beiderseits festgestellt. Der Zusammenhang mit Exposition gegenüber Nitroverdünnung sei nicht beweisbar.

Der Kläger erklärte am 1. Oktober 2002, die Erkrankung habe sich 1980-1985-1997 durch Gangunsicherheit und Schmerzen an den Fußsohlen bemerkbar gemacht. Ursache sei die Tätigkeit in der Lederwarenfabrik seiner Ehefrau.

Der praktische Arzt P. berichtete am 11. Januar 1985 dem Versorgungsamt M., der Kläger sei seit November 1983 in seiner Behandlung. Es bestehe u.a. ein Zustand nach vorübergehendem apoplektischen Insult, Hirnfunktions- und Gedächtnisstörungen bei cerebro-basilärem Syndrom, Schwindel, periphere Neuritis mit Sensibilitätsstörungen des Nervus radialis, Harnwegsinfekt, Schlafstörungen, psychovegetative Labilität mit depressiven Verstimmungszuständen. Im Bericht vom 12. September 1986 bestätigte er u.a. Hirnfunktions- und Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwäche bei cerebro-vasculärem Syndrom, schwere Depression, Unruhe, Schlaflosigkeit, Phobie.

Vom 12. September bis 23. Oktober 1986 wurde der Kläger in der Nervenklinik G. wegen eines depressiven Versagenszustandes bei neurotischer Persönlichkeit behandelt. Der Kläger gab an, seit einem Autounfall leide er zunehmend unter Schlafstörungen und Reizbarkeit und nehme deshalb Beruhigungsmittel ein. Bedingt durch große Schwierigkeiten beim Neuaufbau der Firma hätten sich Anfang des Jahres die Beschwerden verstärkt. Schließlich habe er einen Suizidversuch unternommen. Nach einem zweiten stationären Aufenthalt in der Nervenklinik G. vom 21. April bis 1. Juli 1988 diagnostizierten die Ärzte einen depressiven Versagenszustand und Medikamentenmissbrauch. Vom 26. Juli bis 4. August 1988 wurde der Kläger im Bezirkskrankenhaus H. wegen eines depressiven Syndroms, Suizidversuch, Tranquilizer-Abusus behandelt. Nach neurologischer Untersuchung seien keine Störungen im Sinne einer Polyneuropathie festzustellen. Ein langjähriger Medikamentenabusus sei dagegen bekannt.

Die praktische Ärztin und Diplom-Psychologin S. diagnostizierte im Bericht vom 22. September 1988 eine hysterische Neurose mit narzisstischen und depressiven Anteilen, Zustand nach Suizidversuch im Juli 1988; ausgeprägte Polyneuropathie mit Gangunsicherheit nach jahrelanger Polytoxikomanie.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) führte in der Stellungnahme vom 29. November 2002 aus, ab 1969 könne der Kläger 15 bis 30 kg Kleber pro Woche verarbeitet haben.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Gewerbearztes Dr. K. vom 21. Mai 2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 2003 die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 1317 der Anlage zur BKV ab. Obwohl der Kläger von 1969 bis 1983 der Einwirkung von neurotoxischen Lösemitteln ausgesetzt gewesen sei, sei der Verlauf der Erkrankung nicht typisch für eine beruflich bedingte Polyneuropathie.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und übersandte ein Attest des Dermatologen und Umweltmediziners Dr. M. vom 26. November 2003. Die Ausdünstung von Lösemitteln sei langjährig gegeben gewesen. Stoffwechselkrankheiten als mögliche Ursache der Polyneuropathie könnten nicht nachgewiesen werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass eine berufsbedingte Krankheit vorliege.

Im Gutachten nach Aktenlage vom 10. Juni 2004 führte der Internist Dr. K. aus, eine Polyneuropathie habe neurologisch erstmals 2002, also etwa 20 Jahre nach Beendigung der Exposition, ges...

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