Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Zulassungsentziehung. gröbliche Pflichtverletzung in der Vergangenheit. Wohlverhalten während des sozialgerichtlichen Verfahrens
Orientierungssatz
1. Zum Vorliegen einer gröblichen Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten iSv § 95 Abs 6 S 1 SGB 5 (vgl BSG vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R = BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95).
2. Eine an sich aufgrund gröblicher Pflichtverletzungen in der Vergangenheit indizierte Ungeeignetheit des Vertragsarztes, die eine Zulassungsentziehung rechtfertigt, kann infolge veränderter Umstände während des sozialgerichtlichen Verfahrens relativiert werden, wenn zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei ein künftig ordnungsgemäßes Verhalten des betreffenden Arztes prognostiziert werden kann. Jeder durch Tatsachen belegte ernstliche Zweifel an einer wirklich nachhaltigen Verhaltensänderung des betroffenen Vertragsarztes, die eine positive Prognose rechtfertigt, führt dagegen dazu, dass ein rechtlich relevantes Wohlverhalten nicht vorliegt (vgl BSG vom 19.7.2006 - B 6 KA 1/06 R = SozR 4-2500 § 95 Nr 12).
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. August 2007 und der Beschluss des Beklagten vom 21. Oktober 2003 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, über den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 26. Mai 1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Zulassungsentziehung durch den Bescheid des Beklagten vom 28.10.2003.
Der Kläger erhielt 1993 die Sonderzulassung als Arzt für radiologische Diagnostik in A-Stadt in den Räumen des St. E.-Krankenhauses. Er verfügt über eine Weiterbildungsbefugnis der Bayerischen Landesärztekammer auf dem Gebiet der diagnostischen Radiologie, beschränkt auf die Magnetresonanztomographie (MRT).
Ab 1994 beschäftigte er mit Genehmigung der Beigeladenen zu 1 zunächst vom 4.10.1994 bis 1.10.1995 Dr. M. H., dann vom 1. Oktober 1995 bis 31.3.1996 Dr. L. H. und vom 1.4.1996 bis 31.3.1997 Dr. S. M. jeweils als Weiterbildungsassistenten für MRT.
Ab 1.4.1997 beschäftigte der Kläger ohne Genehmigung Dr. S., der am 8.7.1998 die Anerkennung als Facharzt für Radiologie erhielt. Dieser ist zur Entlastung zwei bis drei Stunden täglich als Vertreter in der Praxis tätig gewesen. Im 1. Quartal 1999 war er unter anderem siebenmal ganztags tätig. Nach eigenen Angaben des Klägers vertrat ihn Dr. S. tageweise während seiner Abwesenheit.
Am 1.3.1999 erstattete die ehemalige Mitarbeiterin und Lebensgefährtin des Klägers Anzeige. Bei Praxisöffnungszeiten zwischen 7:00 Uhr morgens bis Mitternacht sei der Kläger regelmäßig erst gegen 10:00 Uhr erschienen, habe sich dann ab 14 bzw. 15:00 Uhr bis circa 18 oder 19:00 Uhr nicht in der Praxis aufgehalten und sei dann nochmals circa eineinhalb Stunden anwesend gewesen. Der Kläger habe an überweisende Ärzte Prämien gezahlt, bei einzelnen Patienten mehr Kontrastmittel abgerechnet als tatsächlich verwendet wurde. Außerdem sei an einzelnen Tagen, z.B. am Freitag, 11.9.1998, kein Arzt in der Praxis anwesend gewesen. Die Untersuchungen seien durch Arzthelferinnen erfolgt. Der Kläger habe sich die Woche mit Dr. S. geteilt. Er sei nur zweieinhalb Tage in der Praxis anwesend gewesen. Dr. S. habe bei einer Abwesenheit des Klägers sämtliche Untersuchungen durchgeführt und anscheinend auch abgerechnet.
Die Beigeladene zu 1 hob daraufhin mit Bescheid vom 15.3.1999 die Honorarbescheide 1/1994 bis 3/1998 auf und forderte 4.722.010,62 DM zurück.
Am 5.5.1999 beantragte sie beim Zulassungsausschuss die Entziehung der Zulassung. Diesem Antrag schloss sich der Beigeladene zu 3 an. Mit Bescheid des Zulassungsausschusses vom 15.6.1999 wurde dem Kläger die Zulassung als Vertragsarzt entzogen. Der Kläger habe zumindest seit 1994 regelmäßig Leistungen abgerechnet, obwohl weder er selbst noch ein genehmigter Vertreter in der Praxis anwesend waren. Vertragsärztliche Tätigkeiten, die nicht delegierbar seien, wie die Injektion von Kontrastmitteln oder kernspintomographische Leistungen, seien von Arzthelferinnen erbracht worden. Auch eine MRT-Untersuchung erfordere die Anwesenheit des Arztes in der Praxis. Außerdem habe der Kläger in der Zeit vom 1.4.1997 bis Dezember 1998 einen nicht genehmigten Weiterbildungsassistenten beschäftigt. Dessen Leistungen hätten nicht abgerechnet werden dürfen. Nach den Zeugenvernehmungen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sei der Kläger 1997 und 1998 nur an circa zweieinhalb Tagen in der Woche in seiner Praxis anwesend gewesen (Az.: 132 JS 91.055/99). Die Abrechnung nicht persönlich erbrachter Leistungen verstoße gegen die vertragsärztlichen Pflichten.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein.
Am 17.6.2002 schloss der Kläger mit der Beklagten eine Plausibilitätsvereinbarung für die Quartal...