Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung Berufskrankheit. Entschädigung. Feststellung Berufskrankheit. Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit. Berufskrankheiten-Verordnung. BK 2108. Maurer. Fliesenleger. Schadensbild. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule. Langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten. Langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung. Arbeitstechnische Voraussetzungen. Aufgabe der Tätigkeit. Haftungsbegründende Kausalität. Haftungsausfüllende Kausalität. Prinzip der wesentlichen Mitverursachung. Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs. Funktionseinschränkungen. Schober. Ott. Neurologische Ausfallerscheinungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinn der BK 2108 sind Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule.
2. Das Krankheitsbild muss chronisch oder chronisch wiederkehrend sein und Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule hervorrufen, die eine Fortsetzung der Tätigkeiten des Hebens und Tragens schwerer Lasten bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung unmöglich machen.
Normenkette
SGB VII §§ 2-3, 6, 8, 9 Abs. 1, § 212
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15.09.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung und die Entschädigung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - (BK 2108).
Der 1959 geborene Kläger lernte in der Zeit von 1974 bis 1976 den Beruf eines Maurers und war ab 1977 als Maurergeselle mit Maurerarbeiten, Fliesenlegerarbeiten, Pflasterarbeiten sowie im Straßen- und Kanalbau tätig. Er war als Baufacharbeiter in der Zeit von März 1984 bis Januar 1991 bei der Firma Erdbau - G., A., in der Zeit vom 03.04.1991 bis zum 31.01.1993 bei der Firma P. G. Transport, Landschaftsbau und in der Zeit vom 28.03.1993 bis zum 12.12.2000 bei der Firma G. Tiefbau GmbH beschäftigt.
Die AOK Bayern meldete den Verdacht auf das Vorliegen einer BK wegen der Erkrankungen an den Bandscheiben.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Röntgenaufnahmen und CT-Befunde, eine Auskunft des Klägers vom 12.08.2001, die Behandlungsunterlagen der Dres. J./T. mit Fremdbefunden, eine Auskunft der Tiefbau-Berufsgenossenschaft vom 21.03.2002 sowie eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 18.04.2002 bei und holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B., Chirurg, vom 30.04.2002 sowie eine gewerbeärztliche Stellungnahme des Dr. M. ein.
Dr. B. stellte fest, dass beim Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) eine geringfügige diskrete Bandscheibenprotrusion L4/5 und ein Bandscheibenvorfall L5/S1 vorliege. Es sei von einem schicksalhaften Krankheitsbild auszugehen.
Mit Bescheid vom 25.06.2002 lehnte die Beklagte das Vorliegen einer BK ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine Tätigkeitsbeschreibung vor.
Die Beklagte holte daraufhin eine weitere Stellungnahme des TAD vom 20.01.2003 ein. Dieser führte aus, der Versicherte habe nicht regelmäßig und häufig schwere Lasten gehoben und getragen bzw. Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeführt. Der Kläger selbst habe angegeben, lediglich an 90 Tagen im Jahr Hebe- und Tragetätigkeiten verrichtet zu haben. Er habe somit nicht in der überwiegenden Zeit der Arbeitsschichten (mehr als 110 pro Jahr) schwere Lasten getragen.
Der Kläger legte eine Stellungnahme des Dr. J. vom 04.02.2003 vor, wonach ein Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankung des Klägers bestehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2003 zu verurteilen, sein Wirbelsäulenleiden als Berufskrankheit i.S. der Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen.
Das SG hat die einschlägigen Röntgen- und Kernspinaufnahmen beigezogen und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Prof. Dr. W., Arzt für Chirurgie/Dr. G. vom 22.02.2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 12.07.2004 eingeholt. Die Beklagte hat Stellungnahmen des Chirurgen M. vom 17.05.2004 und 23.08.2004 vorgelegt.
Prof. Dr. W./Dr. G. haben ausgeführt, der Kläger leide an einem Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 sowie einer Bandscheibenvorwölbung L4/5. Das Segment L3/4 sei unauffällig...