Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Arbeitslosengeldes. Bemessungsentgelt. Bemessungszeitraum. Nichtberücksichtigung einer Urlaubsabgeltung. ungerechtfertigter Vorteil. keine Einmalzahlung. beitragspflichtige Einnahme. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zweifel, ob eine Urlaubsabgeltung im Bemessungszeitraum erzielt ist, werden durch die Fiktion des
§ 131 Abs 1 S 2 SGB 3 ausgeräumt.
2. Gem § 131 Abs 2 Nr 1 SGB 3 bleiben Arbeitsentgelte außer Betracht, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält, dazu gehört eine Urlaubsabgeltung.
3. Die Einbeziehung der Urlaubsabgeltung in das Bemessungsentgelt würde zu einem ungerechtfertigten Vorteil gegenüber anderen Arbeitnehmern führen, die ihren Urlaub einbringen und keinen Abgeltungsanspruch haben.
4. Arbeitsleistungen auf Kosten der Gesundheit müssen sozialversicherungsrechtlich nicht belohnt werden.
5. Die Urlaubsabgeltung ist nicht wie eine Einmalzahlung zu behandeln.
Orientierungssatz
1.Die Verbeitragung der Urlaubsabgeltung nach § 342 SGB 3 und § 23a Abs 2 SGB 4 als Arbeitsentgelt iS von § 14 SGB 4 führt nicht zu einer Berücksichtigung beim Bemessungsentgelt.
2. Es liegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung von Urlaubsabgeltungen iS von § 131 Abs 2 Nr 1 SGB 3 vor.
3. Ein anderes Ergebnis erfolgt auch nicht aus der Auslegung der inhaltsgleichen Formulierung in § 184 Abs 1 Nr 1 SGB 3.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe (Faktor Bemessungsentgelt) des der Klägerin ab 10.01.2006 zustehenden Arbeitslosengeldes streitig.
Die 1946 geborene Klägerin war vom 01.09.1992 bis 30.11.2005 als Bauzeichnerin in einem Ingenieur-Büro beschäftigt. Ihr Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 29.06.2005. Zum 01.12.2005 meldete die Klägerin sich arbeitslos und beantragte gleichzeitig Arbeitslosengeld.
Nach der Arbeitsbescheinigung vom 30.08.2005 erzielte die Klägerin ab Dezember 2004 ein Bruttoarbeitsentgelt von 31624,47 Euro, monatlich von 2.200,00 Euro, davon im November 2005 Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 5.224,47 Euro (anteiliges 13. Gehalt: 2.108,37 Euro, Urlaubsabgeltung: 3.116,13 Euro für 28 Tage aus dem Jahr 2005).
Mit Bescheid vom 22.09.2005 versagte die Beklagte die Zahlung von Arbeitslosengeld bis zum 11.01.2006, da der Anspruch gemäß § 143 Abs. 2 SGB III ruhe. Mit Bescheid vom 09.01.2006 wurde die Zahlung des Alg noch ab 12.01.2006 für eine Zahlungsdauer von 960 Tagen angeordnet (täglicher Leistungssatz 29,45 Euro, tägliches Bemessungsentgelt 78,11 Euro). Auf Widerspruch wurde mit Bescheid vom 11.01.2006 der Ruhenszeitraum nur bis zum 09.01.2006 (täglicher Leistungssatz 29,50 Euro) festgestellt. Mit Widerspruch vom 18.01.2006 verlangte die Klägerin die Zugrundelegung eines Bemessungsentgeltes von täglich 87,84 Euro, akzeptierte aber den Leistungsbeginn ab 10.01.2006. Zur Begründung wurde ausgeführt, die gezahlte Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.116,13 Euro sei der Berechnung des Bemessungsentgelts hinzuzufügen. Denn auch dafür habe die Klägerin Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25.01.2006). Wegen der Teilabhilfe hat die Beklagte jedoch Kosten von 603,20 Euro erstattet.
Am 23.02.2006 hat die Klägerin unter Wiederholung ihrer Rechtsauffassung Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und zusätzlich vorgebracht, dass es sich bei einer Urlaubsabgeltung um Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 SGB IV handele. Anders als eine Abfindung werde eine Urlaubsabgeltung nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt. Sie sei eine gesetzlich angeordnete Folge im Falle der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Schließlich spreche auch die in § 143 SGB III angeordnete Rechtsfolge des Ruhens des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum des Erhalts von Urlaubsabgeltungen dafür, diese in die Berechnung des Bemessungsentgeltes und damit das Arbeitslosengeld mit aufzunehmen. Für die Dauer der Urlaubsabgeltung erhalte die Klägerin kein Arbeitslosengeld, so dass sie durch die Nichtberücksichtigung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nochmals belastet werde.
Durch Urteil vom 09. Juli 2008 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III habe eine Urlaubsabgeltung außer Betracht zu bleiben. Im Interesse des Arbeitnehmers und seiner Gesundheit sei eine Abgeltung des Urlaubs während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses unzulässig. Nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebe es Ausnahmen. Andernfalls, bei einer Mitberücksichtigung eines für eine Zeit nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gezahlten Arbeitsentgeltes bei der Festlegung des Bemessungsentgeltes, müsste konsequenterweise auch der Zeitrahmen, in dem das Entgelt erzielt wurde, entsprechend erweitert werden, womit s...