Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des SG München vom 17.03.2009 und des Bescheids der Beklagten vom 18.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2006 verurteilt, dem Kläger unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 12.03.2008 ab 01.04.2008 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1955 geborene Kläger hat vom 17.09.1970 bis 19.07.1971 die einjährige Berufsfachschule/Gewerbeschule, Berufsgruppe Elektrogewerbe, besucht und vom 01.09.1971 bis 15.12.1972 eine Lehre als Betriebsschlosser ohne Abschluss durchlaufen.
Vom 26.01.1978 bis 05.09.1979 nahm er erfolgreich an einer Umschulung zum Funkelektroniker teil. Danach war er als Prüftechniker und Disponent bzw. Auftragsplaner von Februar 1980 bis 31.12.1991 bei der Firma BTS GmbH, einem Unternehmen von B. und P., als Angestellter beschäftigt.
Vom 01.06.1992 bis 27.05.1994 absolvierte er eine Umschulung zum Industriekaufmann. Anschließend war er als Qualitätsprüfer bei der Firma H. vom 29.09.1997 bis 30.04.1998 tätig. Nach einer erneuten Umschulung zum Organisator "Handel für SAP Retail" (27.07.1998 bis 05.07.1999) war er wiederum vom 22.05.2000 bis 17.11.2000 befristet als Qualitätsprüfer bei der Fa. H. beschäftigt. Ab 27.09.2000 bis 04.11.2001 war er wegen einer depressiven Episode arbeitsunfähig. Von Februar 2008 bis ins Jahr 2009 war der Kläger vorübergehend als Briefezusteller für ca. drei Stunden täglich bei der Firma A.M. beschäftigt; seither ist er arbeitslos.
In einer von der Beklagten eingeholten Auskunft der Fa. H. vom Juni 2005 wurde auf die Ausbildung des Klägers zum Funkelektroniker Bezug genommen. Der Kläger habe die Qualitätsprüfung von Mobilfunk-Basisstationen verrichtet. Die Entlohnung sei nach Lohngruppe 6 erfolgt; Facharbeiter seien ab Lohngruppe 08 entlohnt worden. Der Lohn habe der Arbeitsleistung entsprochen.
Nachdem sich das Begehren des Klägers zunächst auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gerichtet hatte, stellte der Kläger am 20.04.2005 einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte bei dem Allgemeinarzt Dr. W. Befundberichte vom März 2004 und Juli 2005 ein. Dieser gab u.a. eine depressive Störung mit somatischem Syndrom, generalisierter Angststörung und Insomnie sowie einen Z.n. Borreliose an.
Die Fachklinik E. bescheinigte am 18.03.2005, dass bei dem Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen bei sensibler peripherer Polyneuropathie mit Neuralgien strumpfförmig in den Händen und Füßen, Ein- und Durchschlafstörungen sowie Zustand nach Borreliose 1995 festgestellt worden sei. Eine Neuroborreliose sei 2004 ausgeschlossen worden. Die Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten sei altersentsprechend und schmerzfrei gewesen; die Muskulatur gut ausgebildet und kräftig. Ein EKG sei unauffällig gewesen. Bei der Erkrankung fänden sich somatische (Polyneuropathie) und psychische Krankheitsanteile. Nach Einschätzung der Klinik bestehe eine verminderte Belastbarkeit von unter sechs Stunden für einfache Tätigkeiten ohne Akkord und ohne einseitige Zwangshaltungen.
Im Auftrag der Beklagten begutachtete der Nervenarzt Dr. H. den Kläger (Untersuchung am 05.10.2005). Der Sachverständige wies darauf hin, dass der Kläger noch über vielfältige Interessen verfüge, regelmäßig zur Psychotherapie gehe, aber keine Schmerzmittel und auch keine Antidepressiva einnehme. Eine Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit und eine SSEP-Untersuchung habe der Kläger strikt abgelehnt wegen "panischer Angst vor Strom". Ein fassbarer Organbefund habe sich nicht finden lassen; auch für eine Polyneuropathie habe kein objektivierbarer Hinweis vorgelegen. Eine Neuroborreliose sei in der Klinik ausgeschlossen worden. Beim psychischen Befund stellte der Sachverständige eine gute affektive Schwingungsfähigkeit fest. Es hätten weder eine tiefergehende Verstimmung noch psychotische Elemente, Denkstörungen oder Beeinträchtigungen der Konzentrations- und Merkfähigkeit vorgelegen. Dr. H. diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Dysthymia. Die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode lasse sich nicht mehr aufrechterhalten. Ein gravierender Leidensdruck sei nicht zu erkennen. Unzumutbar seien hohe Stressbelastung, hohe Eigenverantwortung und besondere Anforderungen an die seelische Belastbarkeit. Mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien aber noch 6 Stunden täglich zumutbar; dies gelte auch für die erlernten beruflichen Tätigkeiten.
Die Beklagte lehnte den Antrag daraufhin mit Bescheid vom 18.11.2005 ab...