Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen voller Erwerbsminderung. Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
Leitsatz (amtlich)
Erwerbsminderung, versicherungsrechtliche Voraussetzungen
Orientierungssatz
1. Zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 6.
2. Rechtfertigender Grund für die Anerkennung einer Überbrückungszeit im Rahmen des § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 6 ist im Wesentlichen, dass der Versicherte im jeweiligen Zeitraum noch dem Kreis der Arbeitsuchenden iS dieser Vorschrift zuzuordnen ist. Vor allem kommt es darauf an, ob nach den Gesamtumständen während des Lückenzeitraums ein hinreichender Zusammenhang mit dem eine Versicherungspflicht begründenden aktiven Erwerbsleben besteht. Diese Annahme liegt nahe, wenn die Lücke durch vom Versicherten nicht zu vertretende Umstände oder durch ein sozialadäquates Verhalten entstanden ist (vgl BSG vom 26.7.2007 - B 13 R 8/07 R = SozR 4-2600 § 58 Nr 9).
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.01.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, insbesondere, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erfüllt sind.
Die 1947 geborene Klägerin beantragte am 03.12.2002 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Klägerin erlernte von 1961 bis 1964 den Beruf einer Schneiderin, von 1984 bis 1992 war sie als Reinemachefrau tätig. Danach war sie arbeitsunfähig/arbeitslos. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) endete mit dem 06.02.1996.
Mit Bescheid vom 05.12.2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben, da im maßgeblichen Zeitraum vom 01.06.1995 bis 02.12.2002 lediglich neun Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Seit 18.03.1993 habe sie sich bei der Arbeitsagentur gemeldet und auch Leistungen bezogen. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin erhob dagegen Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Im Rahmen der Ermittlungen hat das SG Auskünfte bei den Krankenkassen der Klägerin und bei der Agentur für Arbeit eingeholt. Lt. Auskunft der Agentur für Arbeit vom 21.04.2005 war die Klägerin im Zeitraum vom 14.03.1994 bis 06.04.1994, 22.10.1998 bis 13.04.2000, 09.05.2000 bis 30.10.2002 und 20.05.2003 bis laufend arbeitslos gemeldet. Die Klägerin legte eine Bestätigung der Agentur für Arbeit vom 20.05.2003 vor, wonach sie vom 19.03.1993 bis 13.03.1994 und vom 30.08.1998 bis 21.10.1998 arbeitslos ohne Leistungsbezug gemeldet gewesen sei. Auf nochmaliges Nachfragen des SG erklärte die Agentur für Arbeit am 01.03.2006, die Klägerin habe sich am 14.03.1994 arbeitslos gemeldet und sei vom 07.04.1994 bis 15.06.1994 arbeitsunfähig geschrieben gewesen. Alg-Bezug habe vom 14.03.1994 bis 18.05.1994 vorgelegen, Ende der Lohnfortzahlung. Ab 16.06.1994 habe Arbeitsfähigkeit vorgelegen, sodass ein erneuter Bezug von Alg vom 16.06.1994 bis 06.02.1996 erfolgt sei. Der Anspruch auf Alg ab 07.02.1996 sei erschöpft gewesen. Die Klägerin sei in folgenden Zeiten arbeitslos ohne Leistungsbezug gemeldet gewesen: 07.02.1996 bis 29.08.1998, 22.10.1998 bis 13.04.2000, 09.05.2000 bis 30.10.2002, 20.05.2003 bis auf Weiteres. Auf Hinweis des SG auf die widersprüchlichen Angaben erklärte die Agentur für Arbeit, die Bestätigung vom 20.05.2003 für den Zeitraum vom 30.08.1998 bis 21.10.1998 sei fehlerhaft und könne anhand der PC-Eintragungen nicht nachvollzogen werden. Möglicherweise sei die Lücke der Zeiten vom 30.08.1998 bis 21.10.1998 und 14.04.2000 bis 08.05.2000 durch die Agentur für Arbeit verschuldet worden, da Eintragungen über die telefonische Meldung der Klägerin nicht in die EDV eingetragen worden seien. Die Klägerin habe sich seit dem Ausschöpfen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zuverlässig innerhalb drei Monaten gemeldet, sodass unwahrscheinlich sei, dass sie sich in den oben genannten Zeiträumen nicht gemeldet habe. Nach Einholung von Befundberichten hat das SG den Internisten Dr.S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser kam am 16.10.2006 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne nur noch unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen tätig sein. Dies gelte seit Oktober 2006. Die Beklagte stimmte dem Leistungsfall zu, gab jedoch an, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien im Oktober 2006 nicht mehr erfüllt.
Unter Hinweis auf einen Versicherungsverlauf vom 18.12.2006 hat das SG mit Urteil vom 16.01.2007 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung mit dem 13.10.2006 anzuerkennen und ab 01.11.2006 die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu ge...