Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Befreiung von der Versicherungspflicht. regelmäßiges Arbeitseinkommen aus selbstständiger außerlandwirtschaftlicher Tätigkeit. endgültige Entscheidung auf der Basis einer vorausschauenden Betrachtung. kein Vorbehalt der Vorläufigkeit bei Befreiungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Alterskasse, hat über die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 3 Abs 1 S 1 Nr 1 ALG stets eine endgültige vorausschauende Entscheidung zu treffen. Für die Vorgehensweise, zunächst eine vorläufige Befreiung auszusprechen und dann nach Einreichung der Einkommensteuerbescheide für den maßgeblichen Zeitraum im Nachhinein endgültig über die Befreiung zu entscheiden, gibt es weder eine Rechtsgrundlage noch steht diese Vorgehensweise mit dem Sinn und Zweck der Regelungen im ALG zur Versicherungspflicht und der Befreiung hiervon in Einklang.
Orientierungssatz
Der Grundsatz der vorausschauenden Beurteilung gilt sowohl für Selbstständige als auch für abhängig Beschäftigte.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers hin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. November 2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2013 aufgehoben.
II. Auf die Klage des Klägers hin wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 von der Versicherungspflicht zur Beklagten endgültig zu befreien.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der endgültigen Feststellung von Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2009.
Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 8. Mai 2008 stellte die Beklagte fest, dass für den Kläger für die Zeit ab 22. November 2007 als Landwirt Versicherungspflicht zur Beklagten besteht mit der Folge, dass ab 1. November 2007 Beiträge zu entrichten sind.
Ausweislich einer Telefonnotiz der Beklagten vom 12. August 2008 beantragte der Kläger telefonisch die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterskasse. Er sei hauptberuflich Rechtsanwalt, übe jedoch keine Vollzeitbeschäftigung aus. Eine Einkommensteuererklärung für 2007 sei noch nicht erfolgt, die Grenze von 4.800.- Euro sollte jedoch überschritten sein.
Mit Forderungsbescheid vom 16. September 2008 machte die Beklagte eine Gesamtforderung in Höhe von 1.933.- Euro geltend (Beiträge November 2007 bis November 2008 zuzüglich Mahngebühren und Säumniszuschläge).
Mit Bescheid vom 29. September 2008 lehnte die Beklagte den telefonischen Antrag vom 12. August 2008 auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Diese bestehe weiterhin ab 22. November 2007 für den Kläger als Landwirt gemäß § 1 Abs. 2 ALG. Zur Begründung ist ausgeführt, nach den der Beklagten vorliegenden Unterlagen erziele der Kläger derzeit kein außerlandwirtschaftliches Einkommen von über 400.- Euro monatlich bzw. 4.800.- Euro jährlich. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG seien damit nicht erfüllt.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 legte der Kläger Widerspruch gegen den Forderungsbescheid vom 16. September 2008 ein und trug mit Schreiben vom 7. Januar 2009 vor, er sei hauptberuflich als Rechtsanwalt selbstständig tätig. Sein jährliches Einkommen ohne Berücksichtigung eines Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft überschreite 4.800.- Euro. Er verwies auf einen zugleich übersandten Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 16. November 2007. Hieraus gehen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (freiberufliche Tätigkeit) in Höhe von 17.500.- Euro hervor.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2009 befreite die Beklagte den Kläger daraufhin für die Zeit ab 22. November 2007 vorläufig von der Versicherungspflicht zur Beklagten mit der Folge, dass vorläufig ab 1. November 2007 Beiträge nicht zu entrichten seien. Zum endgültigen Nachweis des Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen würden die für den Zeitraum der Befreiung maßgebenden Einkommensteuerbescheide benötigt. Da dieser Nachweis derzeit nicht erbracht werden könne, erfolge die Befreiung aufgrund der vom Kläger erteilten Angaben für die Zeit ab 22. November 2007 zunächst vorläufig mit der Folge, dass vorläufig ab 1. November 2007 Beiträge nicht zu entrichten seien. Eine endgültige Entscheidung über den Befreiungsantrag werde erst nach Vorlage der maßgebenden Einkommensteuerbescheide getroffen. Der Kläger sei verpflichtet, diese sowie auch von der Finanzverwaltung erlassene geänderte Bescheide sofort nach deren Erhalt unverzüglich bei der Beklagten vorzulegen. Sollte sich nach Vorlage der Einkommensteuerbescheide ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht erfüllt seien, seien Beiträge zu zahlen. Darüber hinaus nahm die Beklagte den Bescheid vom 16. September 2008 über rückständige B...