Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Bankkauffrau mit gesundheitlichen Einschränkungen im Zusammenhang mit druckerspezifischen Emissionen
Leitsatz (amtlich)
Zur Verpflichtung eines Rentenversicherungsträgers, einer Bankkauffrau, die gesundheitliche Einschränkungen im Zusammenhang mit druckerspezifischen Emissionen (Tonerstaub) geltend macht, eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
Orientierungssatz
1. Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit iS von § 10 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a SGB 6 liegt vor, wenn nach ärztlicher Feststellung durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen in absehbarer Zeit mit einer Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen ist. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ist jede länger dauernde, nicht unwesentliche Einschränkung der vollen Leistungsfähigkeit. Hierbei ist auf die gesamte berufliche Qualifikation abzustellen.
2. Bei qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit dahingehend, dass Berufe nicht mehr zumutbar sind, die mit der Exposition gegenüber Staub, Rauch, Gas, Kälte und anderen Irritantien verbunden sind, sind derartige Einflüsse mit einer Tätigkeit als Bankkauffrau nicht verbunden. Eine Belastung durch "Tonerstaub" ist damit nicht vergleichbar.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. März 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die im September 1970 geborene Klägerin hat nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife von September 1992 bis Juli 1994 den Beruf der Bankkauffrau erlernt. Sie war im Anschluss daran bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 6. Juli 2010 als Kreditsachbearbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt.
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2011 stellte die Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Sie gab an, aufgrund einer Unverträglichkeit von Toner aus Laserdruckern müsse sie diese dauerhaft meiden. Dies sei bei einer Bank nahezu unmöglich. Bei Tonerkontakt träten Erschöpfung, Schwindel, unregelmäßiger Bluthochdruck, phasenweise Sehstörungen, Schleimhautreizungen, extremes Brennen der Schleimhäute, Halsschmerzen, Atemprobleme, Blasenstechen sowie Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Sodbrennen, Durchfall) auf. Aufgrund ihrer Fibromyalgie leide sie unter ständig vorhandenen Schmerzen in der Muskulatur und in den Sehnenansätzen vor allem an der Wirbelsäule, an Schultern, Händen, Handgelenken, Knien und Sprunggelenken sowie am Kopf. Auch führten Durchschlafstörungen zu körperlicher und geistiger Erschöpfung und ausgeprägter Müdigkeit. Schließlich werde sie durch einen Reizdarm sehr eingeschränkt.
Vorgelegt wurden ein Befundbericht von Dr. N. (Fibromyalgiesyndrom, Polymyalgie) vom 7. Oktober 2011 sowie ein Attest von Assoc. Prof. Dr. Dr. med. C. E. vom 3. August 2010, wonach bei der Klägerin durch laborchemische Untersuchungen eine entzündliche Überempfindlichkeitsreaktion gegenüber verschiedenen Tonerproben festgestellt worden sei. Bei Exposition würden hierdurch verschiedenste Krankheitsbeschwerden auftreten. Beigefügt war ein Bericht der Gesellschaft für angewandte Immunologie, wonach bei der Klägerin eine basal deutlich erhöhte TNFalpha-Sekretion in vitro und ein Hinweis auf eine entzündliche Präaktivierung des zellulären Immunsystems vorlägen. Der Befund spreche für eine mögliche entzündliche Überempfindlichkeitsreaktion gegenüber Bestandteilen der positiv getesteten Tonerproben. Beigefügt war schließlich auch eine ärztliche Anzeige des HNO-Arztes Dr. G. vom 9. Dezember 2009 bei Verdacht auf eine Berufskrankheit an die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), D-Stadt.
Die Agentur für Arbeit B-Stadt gab den Antrag mit Schreiben vom 30. Dezember 2011 an die Beklagte zuständigkeitshalber ab.
Die Beklagte zog eine gutachterliche Äußerung von Dr. E. für die Agentur für Arbeit, B-Stadt, vom 12. August 2011 bei, wonach im Vordergrund eine psychovegetative Minderbelastbarkeit stehe. Hinzu käme eine Überempfindlichkeit auf Toner. Aus den Unterlagen gehe nicht hervor, dass die Klägerin nicht entsprechend ihrem Alter und ihren Fähigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden könne. Eine unmittelbare Exposition auf Stäube der angeschuldigten Toner von Laserdruckern sollte im Idealfall allerdings vermieden werden.
Nach Beiziehung eines weiteren Befundberichts des HNO-Arztes Dr. G. lehnte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 15. Februar 2012 den Antrag ab. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, weil sie in der Lage sei, eine Beschäftigung als Bankkauffrau weiterhin auszuüben.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und ...