Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsminderung. Blutzuckermessung. zusätzliche Pause. Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine über § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) hinausgehende, gelegentlich notwendige zusätzliche Pause von ca drei bis fünf Minuten zur Blutzuckermessung bzw Insulininjektion rechtfertigt auch dann nicht die Annahme, dass der/die Versicherte nur unter betriebsunüblichen Arbeitsbedingungen erwerbstätig sein kann, wenn in Ausnahmefällen noch eine weitere zusätzliche Pause im selben zeitlichen Umfang hinzukommt.

 

Orientierungssatz

Eine Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist aufgrund der kurzen Dauer der Arbeitspausen nicht wie bei der Entscheidung des BSG vom 6.6.1986 - 5b RJ 42/85 = SozR 2200 § 1246 Nr 136 - erforderlich.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.11.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1952 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war im Zeitraum von 1988 bis 2003 als Hausservice-Arbeiterin im Krankenhaus versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2003 ist sie arbeitslos gemeldet.

Am 28.10.2004 stellte die Klägerin Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Untersuchung der Klägerin durch den Sozialmediziner Dr. v. G. und lehnte den Rentenantrag - gestützt auf sein Gutachten vom 10.12.2004 - mit Bescheid vom 17.12.2004 ab. Den hiergegen am 12.01.2005 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2005 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.05.2005 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Im Auftrag des SG hat der Internist, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde und Arbeitsmedizin Dr. S. gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Untersuchung der Klägerin am 10.07.2006 ein Gutachten erstattet und darin zusammenfassend die Auffassung vertreten, dass die Klägerin trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen täglich noch 6 Stunden und mehr leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Als Folge des Diabetes mellitus liege eine diabetische Polyneuropathie vor, die sich in einer Sensibilitätsminderung an den Füßen zeige. Da sich die Insulininjektionen auf den Morgen, die Mittagszeit und den Abend beschränkten, seien keine regelmäßigen zusätzlichen Pausen notwendig, auch wenn es gelegentlich möglich sei, dass an einzelnen Tagen eine zusätzliche Pause von drei bis fünf Minuten notwendig werde, um den Blutzucker zu messen und ggf. Insulin zu applizieren.

Mit Urteil vom 23.11.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die von der Klägerin berichteten Unterzuckerungen könne sie durch die Einnahme von Traubenzucker rasch wieder ausgleichen. Zeitliche Leistungseinschränkungen ließen sich durch den Diabetes mellitus nicht begründen. Auch wenn gelegentlich Pausen erforderlich seien, um den Blutzucker zu kontrollieren und ggf. Insulin zu spritzen, so hielten sich diese im Allgemeinen im Rahmen der üblichen Verteilzeiten und könnten von den Betroffenen ebenso wahrgenommen werden wie z.B. notwendige Toilettengänge. Regelmäßige zusätzliche Pausen, die den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht entsprächen, benötige die Klägerin nach der ärztlichen Einschätzung von Dr. S. jedenfalls nicht. Die Beurteilung des Dr. S., dass die Klägerin in ihrem zeitlichen Leistungsvermögen nicht eingeschränkt sei, sei unter Berücksichtigung der von Dr. S. beschriebenen Befunde nachvollziehbar. Das Attest des behandelnden Hausarztes Dr. R. entkräfte das Gutachtensergebnis von Dr. S. nicht. Die genannten Diagnosen habe Dr. S. aufgrund eigener Untersuchungen berücksichtigt, wobei er allerdings eine koronare Herzkrankheit nicht habe feststellen können. Dr. R. habe in seinem Attest nicht aufgezeigt, mit welcher Begründung er der Beurteilung von Dr. S. nicht folge. Er habe lediglich ausgeführt, dass er eine frühzeitige Erwerbsunfähigkeitsberentung "befürworten" würde.

Gegen das Urteil des SG richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 19.12.2006 eingegangene Berufung der Klägerin. Das SG habe ihre qualitativen Einschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn der Gutachter Dr. S. aufgrund der Diagnose Diabetes mellitus zu dem Ergebnis komme, dass bei ihr lediglich an einzelnen Tagen eine zusätzliche Pause von drei bis fünf Minuten für die Blutzuckermessung und die Insulingabe notwendig sei. Bei ihr seien vielmehr regelmäßige Blutzuckermessungen und Insulingaben erforderlich, sodass sie zusätzliche Pausen einhalten müsse.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, die Schwerbehindertenakte des Zentrums Bayern F...

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