Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewaltopferentschädigung. vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff. erheblich divergierende Sachverhaltsschilderung. Nachweis. Beweisnot. Beweiserleichterung. Glaubwürdigkeitsgutachten

 

Leitsatz (amtlich)

Liegen in einem Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) keine ausreichenden Nachweise hinsichtlich des anspruchsbegründenden Sachverhalts vor, können die Angaben des Antragstellers nach Maßgabe von § 6 Abs 3 OEG iVm § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VFG) zu Grunde gelegt werden. Bei erheblich voneinander divergierenden Sachverhaltsschilderungen ist jedoch kein Glaubwürdigkeitsgutachten zur Frage einzuholen, welcher der vorgetragenen Sachverhaltsalternativen zutreffend ist. Einem entsprechenden "Beweisermittlungsantrag" ist nicht stattzugeben, weil Antragsteller bei Beweisnot gemäß § 15 KOV-VFG ausreichend geschützt sind.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.04.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1959 geborene Klägerin begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer nach ihren Angaben am 11.12.1992 gegen sie verübten Gewalttat in B..

Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Erstantrag vom 13.05.2002 unter anderem die Zeugeneinvernahme der damals in B. wohnhaften Klägerin vom 15.12.1992 vorgelegt. Danach habe die Klägerin ca. einem Monat vor der Tat in regelmäßigen Abständen mysteriöse Telefonanrufe erhalten. Am Donnerstag, den 10.12.1992, sei sie mit Bekannten in einem Lokal in der U-Straße gewesen und zu Fuß nach Hause gegangen. Fast vor ihrer Haustüre K. Straße in B. habe sie noch aus dem Augenwinkel gesehen, wie jemand aus einem am Straßenrand geparkten Auto gestiegen sei. Diesem Mann seien noch andere Männer gefolgt. Plötzlich seien ihr die Augen zugehalten worden, kurz danach auch noch der Mund. Sie sei dann festgehalten und vermutlich in das Auto gezerrt worden, das dort am Straßenrand gestanden sei. Im Auto sei ihr die Tasche entrissen worden. Sie habe die ganze Zeit versucht sich zu wehren, sei aber machtlos gewesen. Die Männer hätten miteinander auf Russisch mit georgischem Akzent gesprochen. Sie habe verstehen können, dass diese schon am Mittwoch auf sie gewartet hätten, aber dass es nicht geklappt habe. Nach einer kurzen Fahrt sei sie mit den Worten "Auf Wiedersehen" (auf Russisch) aus dem Auto geschubst worden. Da man ihr das Halstuch um den Kopf gebunden habe, habe sie zunächst nicht reagieren können. Als sie dann ihr Kopftuch abgenommen habe, habe sie weder das Auto noch die Personen sehen können. Es seien aber bestimmt zwei Wagen gewesen. Da die Männer ihre Tasche mit Ausweis, Adressbüchern, Kosmetik und ihren Wohnungsschlüsseln mitgenommen hätten und sie sich selbst auch nicht nach Hause getraut habe, sei sie zunächst durch die Stadt gegangen. Sie sei bis Freitag bei einer Bekannten geblieben. Als sie am Samstag wieder zu ihrer Wohnung gekommen sei, sei ihre schwarze Tasche am Türgriff gehangen. Es habe nichts gefehlt. Sie habe jedoch gemerkt, dass jemand in ihrer Wohnung gewesen sei. Sie möchte noch anfügen, dass die Männer zu ihr gesagt hätten "Liegt Geld in die Wohnung, dann ist es vorbei". Am Montag habe sie dann bei ihrer Bank (D. Bank und D. Bank) insgesamt 25.000,00 DM abgehoben, die sie zusammengespart habe. Sie habe die 25.000,00 DM auf den Wohnzimmertisch gelegt und sei wieder zu ihrer Bekannten gegangen. Das sei am 14.12.1992 um 14.00 Uhr gewesen. Gegen 18.00 oder 19.00 Uhr sei sie in ihre Wohnung zurückgekommen und habe festgestellt, dass das Geld nicht mehr auf dem Tisch gelegen habe. Sie sei dann zunächst zu einem Lokal in der U-Straße gegangen, anschließend in den S. und habe sich in die Lobby gesetzt. Sie habe dort sofort das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Sie sei nun in panischer Angst gewesen und habe den Portier und später einen Security-Mann angesprochen. Der Portier habe sie dann an die Polizei vermittelt.

Mit Erstantrag vom 13.05.2002 hat die Klägerin folgende Gesundheitsstörungen schädigungsbedingt geltend gemacht: Lumbalischialgie links bei Diskusprolaps L 3/4, L 4/5; HWS-Syndrom; psychovegetatives Syndrom (Schmerzstörungen, Depressionen); ISG-Syndrom; chronische Gastritis; Nervenwurzelreizerscheinungen; Migräne cervicale.

Das beklagte Land B. hat die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht B. beigezogen und ausgewertet. Entsprechend der Strafanzeige vom 15.12.1992 sei die Klägerin am Freitag, den 11.12.1992, gegen 2.00 Uhr auf dem Heimweg gewesen und sei vor ihrer Haustür von mehreren Russisch sprechenden Männern überfallen worden. Diese hätten der Klägerin ein Tuch über den Kopf gezogen, hätten zu ihr in einem georgischen Dialekt gesprochen und ihr bei heftiger Gegenwehr die mitg...

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