Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Begriff der „summarischen Prüfung“ im Sinne des Prozesskostenhilferechts. Schockschaden im Opferentschädigungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bedeutung des Begriffs der „summarischen Prüfung“ im Sinne des Prozesskostenhilferechts erschöpft sich darin, dass damit dem Prozesskostenhilfeverfahren eine (umfassende) Beweisermittlung und die Klärung schwieriger, bislang ungeklärter Rechtsfragen entzogen sind. Eine Beschränkung der gerichtlichen Prüftiefe im Sinne der Intensität der Befassung mit den vorliegenden Tatsachen, den rechtlichen Vorgaben und bereits vorliegender (höchstrichterlicher) Rechtsprechung ist damit nicht verbunden.
2. Für die Frage eines Schockschadens i.S.d. OEG ist es ohne Bedeutung, ob das potentielle Sekundäropfer Augenzeuge der Gewalttat geworden oder ihm erst später die Nachricht von der Gewalttat überbracht worden ist.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 11.01.2019 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Zugrunde liegt ein Rechtsstreit aus dem Opferentschädigungsrecht. Streitig ist, ob der Klägerin Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG -) zusteht.
Im November 2009 stellte die 1968 geborene Klägerin und jetzige Beschwerdeführerin (im Folgenden: Klägerin) beim Beklagten und jetzigen Beschwerdegegner (im Folgenden: Beklagter) einen Antrag auf Leistungen nach dem OEG. Als schädigende Ereignisse gab sie dabei Folter durch den Staat in Jordanien in den Jahren 1991 und 1992 sowie häusliche Gewalt in Sinne von körperlichen und seelischen Misshandlungen durch ihren damaligen Ehemann von 2002 bis 2004 an. Als Schädigungsfolgen machte sie eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Einschränkung im Bewegungsapparat sowie eine Bandscheibenoperation geltend.
Gegen den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 07.09.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2017 hat die Klägerin am 16.02.2017 Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und dafür mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 01.06.2017 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung derselben beantragt.
Diesen Antrag hat das SG mit Beschluss vom 11.01.2019 abgelehnt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
"Gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Hält das Gericht eine Beweiserhebung für notwendig, so kann in der Regel Erfolgsaussicht nicht verneint werden (vgl. Leitherer, in: Mayer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. (2017), § 73a Rn. 7a). Ist die Erfolgschance aber nur eine entfernte, kann Prozesskostenhilfe verweigert werden (BVerfGE 81, 347, 357).
Entsprechend diesen Maßgaben war die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen. Die erhobene Klage gegen den Bescheid vom 07.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2017 ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem OEG:
1. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 OEG erhält, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt dabei gem. §§ 1 Abs. 1 S. 1 OEG, 1 Abs. 3 S. 1 BVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.
Der GdS ist gem. §§ 1 Abs. 1 S. 1 OEG, 30 Abs. 1 S. 1 BVG nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Er ist gem. § 30 Abs. 1 S. 2 BVG nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst.
Maßstab für die Beurteilung des GdS sind die mit dem Rang einer Rechtsverordnung ausgestatteten Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VmG - (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorg...