Leitsatz (amtlich)
1. Die Einwilligung in ärztliche Maßnahmen obliegt dem Betreuer.
2. Eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts kommt nur im Falle des § 1846 BGB oder unter den Voraussetzungen des § 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht.
Normenkette
BGB § 1904 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 29.12.1998; Aktenzeichen 4 T 404/98) |
AG Rosenheim (Beschluss vom 09.09.1998; Aktenzeichen 2 XVII 1483/92) |
Tenor
I. Der Beschluß des Amtsgerichts Rosenheim vom 9. September 1998 wird dahin abgeändert, daß die Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines Bezirkskrankenhauses oder eines zur Behandlung ihrer Alkoholabhängigkeit geeigneten Heims genehmigt wird und die Verfügung „In der Einrichtung dürfen folgende Untersuchungen und Heilbehandlungen durchgeführt werden: Die üblichen Maßnahmen” entfällt.
II. Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 29. Dezember 1998 zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Mit Beschluß vom 14.9.1993 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene einen Betreuer mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge.
Das Vormundschaftsgericht genehmigte am 9.9.1998 die Unterbringung der Betroffenen durch den Betreuer „in einer geschlossenen Einrichtung” bis 9.9.2000 und beschloß weiter „In der Einrichtung dürfen folgende Untersuchungen und Heilbehandlungen durchgeführt werden: Die üblichen Maßnahmen”. Die sofortige Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluß vom 9.9.1998 hat das Landgericht am 29.12.1998 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, aber nur bezüglich der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, aufgrund der durchgeführten Ermittlungen stehe fest, daß die geschlossene Unterbringung für die Betroffene – nach derzeitiger Sicht – bis 9.9.2000 erforderlich sei (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB). Die ihm als erfahren bekannten Sachverständigen hätten mit ihren Gutachten vom 26.8. und 23.11.1998 schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei festgestellt, daß die Betroffene an einer chronisch-paranoiden Schizophrenie mit ausgeprägtem Residualzustand, zusammenhängend mit einer sekundären Alkoholabhängigkeit, leide. Die Betroffene sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, die Notwendigkeit einer konsequenten, medikamentösen Behandlung einzusehen und eine strikte Alkoholkarenz einzuhalten. Bei einer eigenständigen Lebensführung wäre sie in hohem Maße durch unzureichende Nahrungsaufnahme sowie Verwahrlosung selbst gefährdet. Mit einer Besserung der Prognose bzw. mit dem Erreichen einer Krankheitseinsicht und einer tragfähigen Compliance sei bei der Betroffenen nach Einschätzung der Sachverständigen in keiner Weise zu rechnen.
2. Diese Ausführungen halten der im Verfahren der weiteren Beschwerde allein zulässigen rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand, soweit sie die Voraussetzungen der Genehmigung der geschlossenen Unterbringung der Betroffenen behandeln. Sie setzen sich aber nicht mit dem gesamten Inhalt des amtsgerichtlichen Beschlusses auseinander. Dieser Rechtsfehler führt zwar zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen, zwingt aber nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Der Senat kann selbst entscheiden, weil weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (vgl. BayObLG NJW-RR 1998, 294/295; OLG Frankfurt NJW-RR 1999, 144).
a) Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, d.h. die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung gegen den Willen des Betreuten (vgl. § 2 Abs. 1 FreihEntzG), bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dieses muß die Genehmigung erteilen, solange sie zum Wohle des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit des Betreuten die Gefahr besteht, daß er sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge einer psychischen Erkrankung setzt voraus, daß der Betreute aufgrund der Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BayObLGZ 1993, 18; BayObLG NJW-RR 1998, 1014 m.w.N.). Die Genehmigung ist ferner zu erteilen, wenn eine Heilbehandlung notwendig ist, jedoch ohne Unterbringung nicht durchgeführt werden kann, weil der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB; vgl. BayObLG BtPrax 1996, 28/29; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 118). Die Erforderlichkeit der Unterbringung ist der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen, da die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut darstellt, daß sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf...