Leitsatz (amtlich)
Von einer Vertragspartei nachträglich einseitig geltend gemachte Anfechtungs- oder Unwirksamkeitsgründe berechtigen den Notar nur in besonderen Ausnahmefällen, den Vollzug der Urkunde abzulehnen.
Normenkette
BeurkG § 53; BNotO § 15
Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Beschluss vom 04.06.2003; Aktenzeichen 11 F T 25/03) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des LG Schweinfurt vom 4.6.2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind Geschwister in ungeteilter Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehört ein Hausanwesen mit mehreren Wohnungen. Am 19.12.2002 beurkundete der Notar einen Erbauseinandersetzungsvertrag mit Auflassung. Anwesend waren die Beteiligten zu 1) und 2); der Beteiligte zu 1) handelte aufgrund privatschriftlich erteilter Vollmacht vom 12.12.2002 zugleich für die Beteiligte zu 3). Mit an das Grundbuchamt gerichtetem Schreiben vom 22.1.2003 erklärte die Beteiligte zu 3) die Vollmacht vom 12.12.2002, die sie unter Zwang unterschrieben habe, für unwirksam. Am 9.4.2003 suchte der Notar, der von vorerwähntem Schreiben keine Kenntnis hatte, die 75-jährige Beteiligte zu 3) zwecks Anerkennung der Unterschrift unter der Vollmacht in ihrer Wohnung auf. Die Beteiligte zu 3) bestätigte dem Notar die Echtheit ihrer Unterschrift. Sie erklärte ferner, sie habe an das Gericht geschrieben, dass die Vollmacht nicht mehr gelten solle, gab jedoch auf Nachfrage des Notars nach dem Grund hierfür keine Antwort. Erst auf eigene Nachforschungen hin erhielt der Notar Kenntnis vom Inhalt des beim Grundbuchamt eingegangenen Schreibens der Beteiligten zu 3).
Mit Vorbescheid vom 10.4.2003 lehnte der Notar den weiteren Vollzug der Urkunde wegen Anfechtung der durch die Beteiligte zu 3) erteilten Vollmacht ab. Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) hob das LG den Vorbescheid auf und wies den Notar an, die Urkunde zu vollziehen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 3) mit ihrer durch Anwaltsschriftsatz eingelegten weiteren Beschwerde.
II. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 15 Abs. 2 BNotO, §§ 27, 29 FGG). Sie hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die gerichtliche Überprüfung habe sich darauf zu beschränken, ob sich aus der Sicht des Notars eine zu beachtende klare Nichtigkeit des beurkundeten Vertrages ergebe. Dies sei zu verneinen. Die Beteiligte zu 3), die i.Ü. die Echtheit ihrer Unterschrift bestätigt habe, habe dem Notar bei dessen Besuch keine näheren Gründe für ihre Anfechtung angegeben. Auch aus ihrem Sachvortrag im Beschwerdeverfahren ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Zwangsausübung. Soweit sie außerdem vorbringe, sie halte die Vollmacht für eine Fälschung, da, als sie unterschrieben habe, zwischen ihrer Unterschrift und dem Text eine handbreit Platz gewesen sei, während jetzt die Unterschrift direkt unter dem Text stehe, ergebe die Sichtprüfung hierfür keinen Anhaltspunkt. Es bleibe der Beteiligten zu 3) unbenommen, ein Zivilverfahren anzustrengen, um ihre Behauptungen zu beweisen.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 15 Abs. 2 S. 2 BNotO, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Zutreffend ist das LG von der Zulässigkeit der Erstbeschwerden ausgegangen. Durch die Aussetzung des Urkundsvollzugs war neben dem Beteiligten zu 1), an den der Vorbescheid gerichtet ist, auch die Beteiligte zu 2) in ihren Rechten beeinträchtigt; auch deren Beschwerdeberechtigung hat das LG daher zu Recht bejaht. Beteiligte des Verfahrens sind die Parteien des notariellen Vertrages, nicht dagegen der Notar, dessen Bescheid im Beschwerdeverfahren nach § 15 BNotO die Wirkung einer erstinstanziellen Entscheidung hat (vgl. BayObLG BayObLGZ 1998, 6 [8]; Schippel/Reithmann, BnotO, 7. Aufl., § 15 Rz. 72 f.).
b) Gerichtliche Entscheidungen nach § 15 BNotO haben ausschließlich darüber zu befinden, ob der Notar seine Urkundstätigkeit, wozu auch das anschließende Vollzugsverfahren gehört, pflichtwidrig verweigert. Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat das LG seiner Prüfung zugrunde gelegt. Seine Würdigung, dass der Notar unter den hier gegebenen Umständen den Vollzug der Urkunde nicht verweigern darf, ist nicht zu beanstanden.
aa) Nach § 53 BeurkG hat der Notar die Urkunde mit Vollzugsreife beim Grundbuchamt einzureichen, es sei denn, dass alle Beteiligten etwas anderes verlangen. Ist Vollzugsreife gegeben, darf der Notar die Einreichung nicht schon dann unterlassen, wenn nur einer der Beteiligten den Vollzugsantrag widerruft oder sonst Weisung zur Nichteinreichung gibt. Nur in Ausnahmefällen und unter ganz besonderen Umständen kann der Notar berechtigt sein, auf einseitige Weisung nur eines von mehreren Beteiligten seine Vollzugstätigkeit aufzuschieben. Ein solcher Sachverhalt kann angenommen werden, wenn der Beteiligte dem Notar einen ausreichend substantiierten und glaubhaften Sachverhalt vorträgt, der einen Anfechtungs- oder Unwirks...