Leitsatz (amtlich)
Eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn schon bei Mahnbescheidsantrag für den Antragsteller erkennbar ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand für sämtliche Antragsgegner bestand, der Antragsteller aber dennoch als Streitgerichte für den Fall des Widerspruchs die jeweiligen unterschiedlichen (Wohn-) Sitzgerichte der Antragsgegner angegeben hat.
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Aktenzeichen 64 O 216/23) |
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin macht Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die Antragsgegner geltend.
Nach ihrem Vortrag hat die Antragstellerin beiden Antragsgegnern 2007 ein verzinsliches Darlehen über 70.000,00 EUR und 2008 über 30.000,00 EUR gewährt. Die Antragsgegner hafteten daher gesamtschuldnerisch für die Rückzahlungsansprüche. Der Antragsgegner zu 1) sei geschäftsführender Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 2) gewesen. Da die Antragsgegner seinerzeit keine Bankfinanzierung mehr erhalten hätten, habe die Antragstellerin mit privaten Mitteln ausgeholfen, um für kurzfristige Liquidität zu sorgen. Bei Kündigung des Darlehens mit Schreiben vom 29. Juli 2019 seien noch die Rückzahlung der gesamten Valuta und teilweise Zinsansprüche offen gewesen.
Die Antragstellerin hat gegen beide Antragsgegner als Gesamtschuldner am 27. Dezember 2022 jeweils einen Mahnbescheid über die Gesamtvaluta nebst Zinsen beantragt. Als Prozessgericht, an das im Fall des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden soll, hat die Antragstellerin für die Ansprüche gegen den Antragsgegner zu 1) das Landgericht Ingolstadt, für die Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 2) das Landgericht Osnabrück angegeben. Der Mahnbescheid gegen den Antragsgegner zu 1) wurde ausweislich des Aktenausdrucks am 30. Dezember 2022 in den Briefkasten der XXX XX, XXXXX Ingolstadt eingelegt, der gegen die Antragsgegnerin zu 2) am selben Tag in den Briefkasten an ihrem Sitz in der XXX XX, XXXXX Neuenhaus. Nach Widerspruch beider Antragsgegner hat das Amtsgericht das Verfahren gegen den Antragsgegner zu 1) an das Landgericht Ingolstadt abgegeben. Für das Verfahren gegen die Antragsgegnerin zu 2) steht die Abgabe mangels Antrags noch aus.
Die Antragstellerin hat in der Anspruchsbegründung bezogen auf den Antragsgegner zu 1) beantragt, diesen zur Zahlung von 100.000,00 EUR nebst Zinsen zu verurteilen, und angekündigt, das für das Verfahren gegen beide Antragsgegner zuständige Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmen zu lassen. Nach Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Ingolstadt hat die Antragstellerin noch hilfsweise beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht München I als Gericht des Erfüllungsorts zu verweisen. Bei Kreditgewährung habe der Antragsgegner zu 1) in Sauerlach bei München gewohnt, die Antragsgegnerin zu 2) habe ihren Sitz in der XXX in München gehabt. Erfüllungsort für die Darlehensrückzahlungsansprüche sei der Sitz des Schuldners bei Abschluss des Darlehensvertrags. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist noch nicht erfolgt.
Der Antragsgegner zu 1) hat in der Klageerwiderung die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Ingolstadt gerügt. Er sei im Jahr 2019 nach Italien verzogen und wohne nicht mehr in der XXX in Ingolstadt. Für den Gerichtsstand des Erfüllungsorts sei der Wohnsitz des Schuldners maßgeblich, vorliegend daher Italien. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet und daher abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2023 hat die Antragstellerin beim Bayerischen Obersten Landesgericht beantragt, nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als gemeinsam für die Antragsgegner zuständiges Gericht das Landgericht München I, hilfsweise das Landgericht Ingolstadt, äußerst hilfsweise das Landgericht Osnabrück zu bestimmen. Der Vortrag des Antragsgegners zu 1) zu seinem angeblichen Wegzug sei mangels Angabe einer neuen Adresse unsubstantiiert und unbeachtlich. Ferner bleibe unklar, wieso trotz des vermeintlichen Auszugs die Zustellung des Mahnbescheids in Ingolstadt habe erfolgen können.
Die Antragsgegner haben beantragt, den Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung zurückzuweisen. Der Hauptwohnsitz des Antragsgegners zu 1) befinde sich seit 2019 in XXX XXX (XXX), XXX XX, XXXX Carovigno (BR), Italien. Der Mahnbescheid sei daher nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Von diesem habe der Antragsgegner zu 1) nur erfahren, da die jetzigen Bewohner den Umschlag angenommen und dem Antragsgegner zu 1) mittels Messengerdienstes ein Foto des Mahnbescheids zugeleitet hätten. Nach Art. 18 Abs. 2 Brüssel-Ia-VO könne eine Darlehensrückzahlungsklage gegen einen Verbraucher nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz habe, in Bezug auf den Antragsgegner zu 1) daher in Italien. Beim Landgericht München I habe es einen gemeinsamen Gerichtsstand gegeben, da beide Antragsgegner bei Darlehensauszahlung dort ihren Sitz gehabt hätten. Diese Möglichkeit sei durch die von der Antragstell...