Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache. Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
1. Die Stimmabgabe in der Eigentümerversammlung, durch die eine bauliche Veränderung genehmigt wird, und die darin liegende Zustimmung zu der Maßnahme können von einem Wohnungseigentümer wegen arglistiger Täuschung angefochten werden.
2. Erfährt der getäuschte Wohnungseigentümer erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist von der Täuschung, kann grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
3. Ein Wohnungseigentümer, der um die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung nachsucht, kann aufgrund der sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis ergebenden Schutz- und Treuepflichten gehalten sein, die anderen Wohnungseigentümer über Umstände aufzuklären, die für Art und Ausmaß der zu erwartenden Beeinträchtigung von Bedeutung sind (hier: Einbau von Glastüren in die Hausfront, um die Nutzung eines Ladens für gastronomische Zwecke zu ermöglichen).
Normenkette
BGB §§ 123, 130, 242; WEG § 22 Abs. 1, § 23 Abs. 4; FGG § 22 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 1 T 7539/00) |
AG München (Aktenzeichen 484 UR II 630/99) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 5. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin zu 1 hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen und die den Antragstellerinnen im Rechtsbeschwerde verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten; im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerde verfahren wird auf 11.500 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerinnen und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer aus fünf Wohnungen und einem Teileigentum bestehenden Anlage, die bis zum 31.12.2000 vom weiteren Beteiligten zu 1 verwaltet wurde; nunmehr ist der weitere Beteiligte zu 2 der Verwalter. Der Antragsgegnerin zu 1 gehört das im Erdgeschoß und Kellergeschoß gelegene Teileigentum Nr. 6, das in der Teilungserklärung als Laden mit Lager und Archiv bezeichnet ist; ihr Sohn betreibt darin unter der Firma K. eine Seilerei.
Im März 1999 schloß die Antragsgegnerin zu 1 mit der Firma C. einen Mietvertrag über Räume des Teileigentums Nr. 6, der eine Nutzung als „Kaffeebar + Kaffeeinzelhandel” sowie den Einzug des Mieters spätestens zum 1.1.2000 vorsah. Am 30.4.1999 lud die Verwalterin für den 20.5.1999 zu einer Eigentümer Versammlung ein. Punkt 1 der Tagesordnung lautete: Beschlußfassung zu den Umbaumaßnahmen der Firma K. Das Einladungsschreiben verwies auf den beigefügten Grundriß- und Fassadenplan. Danach sollten im Erdgeschoß zwei Glastüren in die Hausfront als direkter Zugang von der Straße eingebaut werden.
In der Eigentümerversammlung vom 20.5.1999 waren sämtliche Miteigentumsanteile vertreten. Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 hatten der Antragstellerin zu 1 Vollmacht zu ihrer Vertretung erteilt; die Antragsgegnerin zu 1 wurde durch ihren Sohn vertreten. Zu TOP 1 lautet die Versammlungsniederschrift:
Der Verwalter bemerkt einleitend, daß diese bauliche Veränderung der Einstimmigkeit in der Beschlußfassung bedarf.
Herr … (Sohn der Antragsgegnerin zu 1) sichert zu, daß keinerlei Kosten aus diesen Umbaumaßnahmen auf die übrigen Eigentümer zukommen werden. Er stellt ausführlich die in der Anlage 1 und 2 dargestellten baulichen Veränderung der Hausfassade dar und beantragt, diese Umbauten zu genehmigen.
Ergebnis:
Genehmigungen: einstimmig. …
Mit Schriftsatz vom 29.7.1999, beim Amtsgericht eingegangen am selben Tag, haben die Antragstellerinnen ihre Stimmabgabe in der Eigentümerversammlung sowie eine darin etwa enthaltene Zustimmung zur Durchführung der Umbaumaßnahmen an der straßenseitigen Fassade wegen arglistiger Täuschung angefochten. Sie haben einen Zeitungsbericht vom 19.7.1999 vorgelegt, wonach statt der Seilerei ein Café in ihrem Anwesen betrieben und dafür die Fassade geändert werden solle. Die Antragstellerinnen haben an Eides statt versichert, auf den Zeitungsbericht hin hätten sie sich an die Baubehörde gewendet und dort die Auskunft erhalten, am 16.4.1999 habe die Firma C. als Mieterin des Teileigentums einen Antrag auf Genehmigung von Umbaußmaßnahmen und Nutzungsänderung gestellt. Nach den von der Antragsgegnerin zu 1 unterzeichneten Bauplänen sei u. a. der Abriß der vorhandenen Trennmauer und die Errichtung einer neuen Mauer zur Abtrennung des hinteren Erdgeschoßteils vorgesehen; das bisher im hinteren Teil des Erdgeschoßes gelegene Lager solle künftig als Laden für die Seilerei genutzt werden. Ferner sei eine Konzession für eine Gaststätte mit Bistrocharakter und Öffnungszeiten bis 1.00 Uhr nachts sowie die Genehmigung einer Freischankfläche und des Ausschanks von Alkohol beantragt worden. Die Antragstellerinnen haben beim Amtsgericht beantragt, ihnen Wiedereinsetzung wegen einer etwaigen Versäumung der Frist zur Anfechtung des Eigentümerbeschlusses vom 20.5.1999 zur gewähren und diesen f...