Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Falsche Wertung eines Abstimmungsergebnisses; Balkonverglasung als bauliche Veränderung
Verfahrensgang
LG Augsburg (Aktenzeichen 7 T 4831/99) |
AG Augsburg (Aktenzeichen 3 UR II 55/99) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 12. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegner zu 1 haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer 1964 oder 1965 errichteten Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.
Die zum Innenhof gelegenen Balkone der Wohnanlage sind seitlich mit einer Drahtglasscheibe versehen. Nr. VI b der Teilungserklärung lautet: „Die Wohnungseigentümer dürfen an der äußeren Gestalt des Gebäudes keine Veränderungen vornehmen …”.
Die Antragsgegner zu 1 beabsichtigen, ihren Balkon vollständig zu verglasen.
Am 14.7.1998 genehmigten die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit unter Tagesordnungspunkt (TOP) 9 die beabsichtigte Balkonverglasung der Antragsgegner zu 1. In der Niederschrift über die Eigentümerversammlung ist im Anschluß an den Eigentümerbeschluß folgender Satz angefügt: „Da kein allstimmiger Beschluß zustande kam, gilt die Maßnahme als nicht genehmigt”.
Die Antragstellerin hat am 23.3.1999 beantragt, diesen Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären und ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zu gewähren. Das Amtsgericht hat der Antragstellerin am 1.9.1999 Wiedereinsetzung gewährt und am 26.10.1999 den Eigentümerbeschluß vom 14.7.1998 zu TOP 9 für ungültig erklärt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zu 1, mit der diese beantragt haben festzustellen, daß der Eigentümerbeschluß gültig ist, durch Beschluß vom 12.10.2000 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der angefochtene Eigentümerbeschluß sei wirksam. Im Hinblick auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei die Anfechtungsfrist gewahrt. Da der Wiedereinsetzungsbeschluß nicht angefochten worden sei, könne er nicht mehr nachgeprüft werden.
Bei der geplanten Balkonverglasung handle es sich um eine bauliche Veränderung. Eine behördliche Genehmigung der Verglasung für den Bauträger oder für die Antragsgegner zu 1 sei ohne Bedeutung. Durch die beabsichtigte Maßnahme würde die Einheitlichkeit der Fassade und das optische Gesamtbild der Wohnanlage gestört. Die Antragsgegner zu 1 könnten sich nicht darauf berufen, daß eine Mehrheit für die Verglasung gestimmt habe. Erforderlich sei Einstimmigkeit.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Daß am 14.7.1998 unter TOP 9 ein Eigentümerbeschluß gefaßt wurde, steht außer Zweifel, weil mehr Wohnungseigentümer für als gegen den Antrag gestimmt haben, die beabsichtigte Balkonverglasung der Antragsgegner zu 1 zu genehmigen. Daran ändert die in der Niederschrift über die Eigentümerversammlung enthaltene Meinungsäußerung des Verwalters, ein Beschluß sei nicht zustande gekommen, nichts (BayObLG NZM 1998, 917). Der Eigentümerbeschluß hätte damit Bestandskraft erlangt, wenn er nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 WEG angefochten und vom Gericht für ungültig erklärt worden wäre.
Auf die Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG für die Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses ist § 22 Abs. 2 FGG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Beschwerdefrist entsprechend anzuwenden (ständige Rechtsprechung des Senats; BayObLGZ 1989, 13/14 m.w.N.; zuletzt Beschluß vom 31.10.2000, 2Z BR 79/00). Dies schließt die entsprechende Anwendung auch von § 22 Abs. 2 Satz 3 FGG ein. Nach dieser Bestimmung ist gegen die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag die sofortige weitere Beschwerde zulässig. Bei entsprechender Anwendung auf die Versäumung der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG wäre die sofortige Beschwerde gegeben gewesen, weil über den Antrag das Amtsgericht und nicht wie im Fall der Versäumung der Beschwerdefrist das Landgericht zu entscheiden hatte. Durch den Eintritt der formellen Rechtskraft des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 1.9.1999 mit Ablauf der Anfechtungsfrist ist dieser einer Änderung und damit auch einer Nachprüfung entzogen. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte (vgl. dazu BayObLGZ 1948/1951, 353/355; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 22 Rn. 43), liegen hier nicht vor. Dabei ist von Bedeutung, daß es sich bei der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG im Gegensatz zu der Beschwerdefrist nicht um eine verfahrensrechtliche Frist handelt, sondern um eine materielle Ausschlußfrist (ständige Rechtsprechung; vgl. BayObLG NZM 1999, 36).
b) Die Anbringung einer Balko...