Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 1 T 16878/97) |
AG München (Aktenzeichen UR II 738/96) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 3. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin zu 1 hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus einem Treppenhausturm und zwei südöstlich und südwestlich angefügten Baukörpern besteht. Den Antragstellern gehört die im 5. Obergeschoß gelegene Wohnung. Die Wohnung der Antragsgegnerin zu 1 Nr. 603 erstreckt sich vom 6. Obergeschoß bis zum 8. Obergeschoß.
§ 17 Abs. 8 der Gemeinschaftsordnung vom 16.9.1980 lautet:
Die Miteigentümer können mit einer Stimmenmehrheit von drei Viertel aller (nicht nur der Anwesenden) Miteigentümer bauliche Veränderungen oder Verbesserungen des Gemeinschaftseigentums beschließen, die über eine ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehen.
Am 18.10.1983 faßten die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 7 folgenden Beschluß:
Die Gemeinschaft genehmigt die sach- und fachgerechte Anbringung einer Glasüberdachung auf der Terrasse des 7. Obergeschoßes der Wohneinheit Nr. 603 unter der Bedingung, daß evtl. gegebene behördliche Auflagen beachtet bzw. erforderliche behördliche Genehmigungen beigebracht werden und daß … (= Antragsgegnerin zu 1) Eigentümerin der gegenständlichen Gemeinschaft wird. Die Eigentümergemeinschaft ist von sämtlichen Belastungen wie Erstellung, Unterhalt etc. befreit.
Am 11.7.1996 faßten die Wohnungseigentümer mit 3.723/10.000 Stimmen unter TOP 9 folgenden Beschluß:
Die Gemeinschaft genehmigt unter Bezug auf den bei der Wohnungseigentümerversammlung am 18.10.1983/TOP 7 gefaßten Beschluß die von … (= Antragsgegnerin zu 1) bereits begonnene Baumaßnahme – Glasüberdachung im 7. OG/Turmbereich – unter der Bedingung, daß die von der LBK geforderten Pläne und Genehmigungsbescheide über Rettungswege und alle weiteren Genehmigungsunterlagen der Verwaltung unverzüglich vorgelegt werden.
Die Antragsteller haben beantragt, den Eigentümerbeschluß vom 11.7.1996 für ungültig zu erklären, weil die Antragsgegnerin zu 1 nicht die durch den Eigentümerbeschluß vom 18.10.1983 genehmigte Baumaßnahme ausgeführt habe. Das Amtsgericht hat den Antrag am 11.8.1997 abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 3.6.1998 den Eigentümerbeschluß vom 11.7.1996 für ungültig erklärt. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Eigentümerbeschluß vom 11.7.1996 sei für ungültig zu erklären, weil er nicht mit der erforderlichen Dreiviertelmehrheit gefaßt worden sei. In schutzwürdige Belange der Antragsgegnerin zu 1 werde nicht eingegriffen. Bei den vorgenommenen Glasaufbauten auf dem Dach des 7. Obergeschosses handle es sich unstreitig um eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung. Wie die Lichtbilder zeigten, werde durch sie der architektonische Gesamteindruck der Anlage verändert. Mit der erneuten Beschlußfassung vom 11.7.1996 sei die Bestandskraft des Beschlusses vom 18.10.1983 beendet worden. Aufgrund der Zeugenaussagen stehe nicht fest, daß die erstellte Glasüberdachung dem entspreche, was am 18.10.1983 genehmigt worden sei. Auch aus den von dem Architekten und Zeugen W. vorgelegten Planskizzen ergebe sich dies nicht.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Bei der von der Antragsgegnerin zu 1 durchgeführten Baumaßnahme handelt es sich um eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinn des § 22 Abs. 1 WEG, die über eine ordnungsmäßige Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Eine solche Maßnahme kann grundsätzlich nicht mit Stimmenmehrheit gemäß § 21 Abs. 3 WEG beschlossen werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG). Diese gesetzliche Regelung wurde hier jedoch durch die Gemeinschaftsordnung in wirksamer Weise (allg.M., z.B. BayObLG NJW-RR 1997, 269) abgeändert. Nach der in § 17 Abs. 8 der Gemeinschaftsordnung getroffenen Regelung genügt ein Eigentümerbeschluß dann, wenn ihm mindestens drei Viertel sämtlicher Wohnungseigentümer zugestimmt haben. Unabhängig davon bedarf eine bauliche Veränderung aber nur der Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die Maßnahme über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG).
Allein wegen des Umfangs der Baumaßnahme, wie er sich aus den vorliegenden Lichtbildern ergibt, können nachteilige Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Eigentum oder das Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer nicht ausgeschlossen werden, auch wenn die Baumaßnahme technisch einwandfrei durchgeführt wurde...