Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Ungültiger "Neu-Beschluss" (hier: kein bestätigender Zweit-Beschluss)!
Normenkette
§ 22 Abs. 1 WEG, § 133 BGB
Kommentar
1. Die Eigentümer hatten 1983 mit bestandskräftig gewordenem Beschluss einem Obergeschoss-Eigentümer gestattet, auf seiner Terrasse eine Glasüberdachung unter bestimmten (mitbeschlossenen) Bedingungen zu errichten. 1996 wurde unter Bezugnahme auf diesen Beschluss neuerlich die bereits begonnene Baumaßnahme unter früheren und auch neuerlichen Bedingungen mehrheitlich genehmigt. Dieser neuerliche Beschluss wurde von einem anderen Eigentümer angefochten und entgegen der Ansicht des AG vom LG und - bestätigend - vom BayObLG für ungültig erklärt.
2. Vorliegend war von einer tief in die Substanz des Gemeinschaftseigentums eingreifenden baulichen Veränderung auszugehen. Auch konnte eine Beeinträchtigung des Wertes anderer Wohnungen durch die landgerichtlich festgestellte Veränderung des architektonischen Gesamteindruckes des Gebäudes nicht ausgeschlossen werden. Damit musste zu Recht von einer grundsätzlich allstimmigen Zustimmungspflicht der Eigentümer ausgegangen werden.
Wurde wie hier die Glasüberdachung 1983 genehmigend bestandskräftig beschlossen, konnten an sich die Eigentümer die Rechtsposition des baulich ändernden Eigentümers diesem grundsätzlich nicht ohne weiteres durch einen weiteren Eigentümerbeschluss wieder entziehen; denn ein abändernder Zweitbeschluss muss schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkung des Erstbeschlusses berücksichtigen (vgl. BGHZ 113, 197/200; BayObLG, WM 96, 372; Bärmann/Merle, 7. Aufl., § 23 Rn. 66).
Bei dem neuerlichen Eigentümerbeschluss von 1996 ging es aber nicht um einen Zweitbeschluss im Sinne eines abändernden oder eines bestätigenden Zweitbeschlusses; vielmehr sollte durch diesen neuerlichen Beschluss Klarheit darüber geschaffen werden, ob die durchgeführte Maßnahme mit der im Jahre 1983 genehmigten Maßnahme übereinstimmte. Dies ergibt sich auch aus Hinweisen in der Niederschrift zu dieser Versammlung, dass "Bedenken bestünden, ob die Maßnahme durch den seinerzeitigen Beschluss gedeckt sei". Die anfechtende Antragstellerseite hatte auch diesen Punkt nachträglich auf die Tagesordnung setzen lassen und vorher den Antrag damit begründet, dass sich die ausgeführte Maßnahme nicht mit der im Jahr 1983 genehmigten baulichen Veränderung decke. Mit dem neuerlichen Beschluss sollte also nicht geklärt werden, ob die Antragsgegnerseite zur "Anbringung einer Glasüberdachung auf ihrer Terrasse" berechtigt sei; dies sollte auch nicht neuerlich bestätigt werden.
Gegenstand des neuen Beschlusses war vielmehr nur die Klärung, ob sich die ausgeführte Baumaßnahme im Rahmen des früheren Beschlusses hielt.
Das LG verneinte dies ohne Rechtsfehler aufgrund durchgeführter Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und unter Berücksichtigung vorgelegter Lichtbilder. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an diese Tatsachenfeststellung gebunden ( § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO). Mit einem "Wintergarten" (wie seinerzeit genehmigt) konnte das ausgeführte Bauwerk nicht mehr bezeichnet und gleichgesetzt werden.
Aus diesem Grund konnte die tatsächlich begonnene bzw. bereits ausgeführte Baumaßnahme nicht mehrheitlich genehmigt werden, allenfalls mit einer Zustimmung von mind. 3/4 aller Wohnungseigentümer nach hier getroffener Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung (die hier nicht erreicht wurde). Die Anfechtung des neuerlichen Beschlusses hatte damit Erfolg.
3. Auch außergerichtliche Kostenerstattung zu Lasten der Antragsgegnerseite in der Rechtsbeschwerdeinstanz bei Geschäftswert von DM 10.000.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 03.09.1998, 2Z BR 113/98)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer