Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Um festgestellte Testamentslücken auszufüllen hat das Tatsachengericht in erster Linie den hypothetischen Testierwillen zu ermitteln und darauf abzustellen, welcher Erblasserwille im Testament zum Ausdruck gekommen ist.
Normenkette
BGB § 2084
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 29.12.1989; Aktenzeichen 13 T 8105/89) |
AG Hersbruck (Aktenzeichen VI 263/73) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. Dezember 1989 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2 hat die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde wird auf 20.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte zu 1 ist das einzige Kind der Erblasserin. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Söhne der Beteiligten zu 1. Die Erblasserin ist … 1973 verstorben. Sie war verwitwet. Ihr Ehemann, Vater der Beteiligten zu 1, ist am 4.8.1955 verstorben. Er hatte eigenhändig ein Testament verfaßt und unterschrieben, das auch die Erblasserin unterzeichnet hat. Es lautet:
Unser letzter Wille
Unser Anwesen …
unser Eigentum ohne Schulden, gehört nach unserem Ableben unserer leiblichen und ehelichen Tochter …(= Bet. zu 1) und deren Sohn …(= Bet. zu 2) … zusammen. Nach dem Ableben des einen der unterfertigten Ehegatten hat der überlebende die Nutznießung des Anwesens.
am 5. Mai 1952
Die Ehegatten waren je zur Hälfte Miteigentümer des Anwesens … Der Beteiligte zu 3 wurde am 12.9.1955 geboren. Das Nachlaßgericht bewilligte am 12.1.1961 einen Erbschein, wonach der Ehemann der Erblasserin aufgrund des Testaments vom 5.5.1952 von der Beteiligten zu 1 und dem Beteiligten zu 2 je zur Hälfte beerbt worden sei. Nachdem die Erblasserin verstorben war, erhielt die Beteiligte zu 1 einen Erbschein vom 24.9.1973, wonach sie kraft Gesetzes die Erblasserin allein beerbt habe.
Der Beteiligte zu 2 regte am 13.2.1988 beim Nachlaßgericht an, diesen Erbschein einzuziehen und statt dessen einen Erbschein zu erteilen, wonach er und die Beteiligte zu 1 Miterben der Erblasserin je zur Hälfte seien. Die Beteiligte zu 1 ist dem entgegengetreten. Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß vom 28.8.1989 eine Einziehung des Erbscheins abgelehnt und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen. Dagegen hat der Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat den Beteiligten zu 3 zum Verfahren zugezogen und durch Beschluß vom 29.12.1989 das Nachlaßgericht angewiesen, den Erbschein vom 24.9.1973 einzuziehen. Zugleich hat das Landgericht die weitergehende Beschwerde des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen. Das Landgericht hat angenommen, daß der Erbschein schon deshalb unrichtig sei, weil er eine Miterbenstellung des Beteiligten zu 2 nicht vermerke. Der Erbscheinsantrag dieses Beteiligten sei indessen unbegründet, weil auch der Beteiligte zu 3 Miterbe sei. Zur Erbscheinserteilung hat das Landgericht nicht angewiesen, weil ein der wirklichen Erbfolge entsprechender Antrag nicht gestellt sei.
Das Nachlaßgericht hat daraufhin den Erbschein eingezogen. Die Beteiligte zu 1 und der Beteiligte zu 3 haben beim Nachlaßgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, wonach die Erblasserin von der Beteiligten zu 1 zur Hälfte sowie von den Beteiligten zu 2 und 3 zu je einem Viertel beerbt worden sei. Daraufhin hat das Nachlaßgericht am 1.10.1990 einen Vorbescheid erlassen, in dem es für den Fall, daß gegen den Beschluß nicht Beschwerde eingelegt werde, angekündigt hat, den beantragten gemeinschaftlichen Erbschein zu bewilligen. Der Beteiligte zu 2 hat Beschwerde eingelegt, außerdem gegen den Beschluß vom 29.12.1989 weitere Beschwerde mit dem Antrag, den Beschluß des Landgerichts vom 29.12.1989 insoweit aufzuheben, als darin seine Beschwerde zurückgewiesen wurde, und das Nachlaßgericht anzuweisen, einen Erbschein zu erteilen, wonach die Erblasserin von den Beteiligten zu 1 und 2 je zur Hälfte beerbt worden sei. Daraufhin hat das Landgericht das Verfahren über die Beschwerde gegen den Vorbescheid bis zur Entscheidung über die weitere Beschwerde ausgesetzt. Die Beteiligte zu 1 ist der weiteren Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Dies ist nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Beschwerdeführer nicht auch sein Rechtsmittel gegen den Vorbescheid des Nachlaßgerichts weiterverfolgt, indem er den Aussetzungsbeschluß des Landgerichts anficht, um eine Entscheidung über seine Beschwerde gegen den Vorbescheid herbeizuführen. Gegen den Aussetzungsbeschluß hätte er sich zwar mit einer Erstbeschwerde zum Bayerischen Obersten Landesgericht wenden können (§ 19 Abs. 1 FGG; BayObLGZ 1966, 323/326 f.). Dies ist aber nicht notwendig, um den vom Rechtsmittelführer mit der weiteren Beschwerde zur Entscheidung gestellten Erbscheinsantrag zum Erfolg zu führen. Der Erbschein, welcher der Beteiligten zu 1 bewilligt wurde, ist bereits einge...