Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Zuständigkeit des WE-Gerichts für Nichtigkeits- und Ungültigkeitserklärung eines Eigentümerbeschlusses bei Ausscheiden des Antragstellers aus Gemeinschaft
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 3. Juni 1986 und des Amtsgerichts München vom 1. Oktober 1985 mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht München zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 60 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin war Eigentümerin dreier Wohnungen in der im Betreff genannten Wohnungseigentumsanlage. Die Wohnungen gingen am 8.7.1985 durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung auf einen neuen Eigentümer über.
Am 1.7.1985 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht die Feststellung begehrt, daß die Beschlüsse der Wohnungseigentümer vom 3.6.1985 nichtig seien; hilfsweise hat sie beantragt, die Beschlüsse für ungültig zu erklären. Die Antragsschrift ist der Verwalterin am 26.7.1985 zugestellt worden. Später hat die Antragstellerin ihre Anträge auf die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1 (Jahresabrechnung 1984), 2 (Wirtschaftsplan 1985) und 3 (Entlastung der Verwalterin für das Wirtschaftsjahr und die Jahresabrechnung 1984) beschränkt.
Das Amtsgericht hat die Anträge mit Beschluß vom 1.10.1985 als unzulässig abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht mit Beschluß vom 3.6.1986 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin. Sie beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, hilfsweise, das Verfahren an das zuständige Landgericht München I abzugeben.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG habe das Gericht für Wohnungseigentumssachen auf Antrag eines Wohnungseigentümers über die Gültigkeit von Beschlüssen der Eigentümerversammlung zu entscheiden. Ein schon vor Rechtshängigkeit aus der Gemeinschaft ausgeschiedener Wohnungseigentümer sei nicht Beteiligter eines Verfahrens nach § 43 WEG. Ein Antrag nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG werde entsprechend § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO nicht mit der Einreichung bei Gericht, sondern erst mit der Zustellung rechtshängig. Im Zeitpunkt der Zustellung sei die Antragstellerin nicht mehr Wohnungseigentümerin gewesen; sie habe ihr Eigentum schon vorher durch Zuschlagsbeschluß verloren. Demgemäß seien die Gerichte für Wohnungseigentumssachen zur Entscheidung über ihren Antrag nicht mehr zuständig.
2. Die Entscheidungen der Vorinstanzen können nicht aufrechterhalten werden.
a) Die Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit und auf Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse sind in der gewählten Verfahrensart zulässig, obwohl die Antragstellerin das Wohnungseigentum verloren hatte, bevor ihre Anträge rechtshängig geworden waren.
(1) Die Antragstellerin hat ihre Stellung als Wohnungseigentümerin durch Zwangsversteigerung am 8.7.1985 (vgl. §§ 89, 90 ZVG) und damit zwischen Einreichung und Zustellung der Antragsschrift verloren. Es ist allgemein anerkannt, daß das Ausscheiden aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Laufe des Verfahrens den Antragsteller nicht daran hindert, das Verfahren weiterzubetreiben; dies folgt aus den im Wohnungseigentumsverfahren entsprechend anwendbaren § 261 Abs. 3 Nr. 2, §§ 265, 325 ZPO (vgl. BayObLGZ 1983, 73/76 m.Nachw.; BayObLG ZMR 1983, 391/393; Augustin WEG § 43 RdNr. 79; Weitnauer WEG 6. Aufl. Anh. zu § 43 RdNr. 8). Da die Antragstellerin vor Rechtshängigkeit ihrer Anträge (vgl. § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO) ausgeschieden ist, sind die genannten Vorschriften der Zivilprozeßordnung, die alle auf die Rechtshängigkeit als entscheidenden Zeitpunkt abstellen, hier nicht anwendbar (auf die Rechtshängigkeit stellen auch ab: BGHZ 44, 43/45; BayObLG Rpfleger 1975, 245; BayObLG Rpfleger 1979, 318 und 446; KG NJW 1970, 330; Bärmann/Pick/Merle WEG 5. Aufl. § 43 RdNrn. 47, 48; Weitnauer aaO und § 43 RdNr. 4q; Soergel BGB 11. Aufl. § 43 WEG RdNr. 14). Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt eine entsprechende Anwendung von § 270 Abs. 3 ZPO gleichfalls nicht in Betracht, da es weder um die Wahrung einer Frist noch um die Unterbrechung der Verjährung geht.
(2) Die Anträge sind gleichwohl zulässig.
Nach § 23 Abs. 4 Satz 1, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG entscheidet das Amtsgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Antrag eines Wohnungseigentümers (oder des Verwalters) über die Gültigkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümer. Nach dem Gesetzeswortlaut ist Voraussetzung für die Zulässigkeit dieses Rechtswegs, daß der Antragsteller Wohnungseigentümer ist. Dritten...