Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlaß. Erbscheinserteilung. Erbschein
Leitsatz (redaktionell)
Wer in einem Testament als Erbe eingesetzt ist, kann zwar gemäß § 2352 Satz 1 BGB durch Vertrag mit dem Erblasser auf diese Zuwendung verzichten. Voraussetzung ist aber, daß die letztwillige Verfügung, auf der die Zuwendung beruht, im Zeitpunkt des Verzichts bereits errichtet ist. Ein Verzicht auf künftige letztwillige Zuwendungen ist nicht zulässig und daher wirkungslos.
Normenkette
BGB § 2352 S. 1
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 12.12.1985; Aktenzeichen 6 T 1795/85) |
AG Freising (Aktenzeichen VI 326/84) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 12. Dezember 1985 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 2 hat die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 235.283 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
1. Am 18.7.1984 verstarb in … der ehemalige Landwirt … (Erblasser) im … Lebensjahr. Er hatte seinen letzten Wohnsitz in … (Landkreis …). Die Ehe des Erblassers war seit dem 4.3.1954 rechtskräftig geschieden. Die Beteiligten zu 1 bis 5 sind die Kinder des Erblassers. Zum Nachlaß gehört ein landwirtschaftliches Anwesen in sowie Ackerland.
2. Zur Urkunde des Notars … in … vom 7.4.1961 (Urk.R.Nr. …) hatte die damals 21jährige Beteiligte zu 1 gegenüber dem Erblasser folgende Erklärung abgegeben:
„Frau … verzichtet hiermit ihrem Vater … gegenüber für sich und ihre Abkömmlinge auf alle ihr gegen den seinerzeitigen Nachlaß ihres vorgenannten Vaters zustehenden Erb- und Pflichtteilsansprüche. Sie bestätigt ausdrücklich, hinsichtlich der … ausgesetzten Elterngutsforderungen durch den Vater … voll befriedigt worden zu sein.”
Der Erblasser hatte den Verzicht angenommen.
Zur Urkunde des Notars … vom 8.2.1974 (Urk. R. Nr. …) hatte der Erblasser der Beteiligten zu 1 zwei Fünftel und dem Beteiligten zu 5 drei Fünftel Miteigentumsanteile an einem Grundstück überlassen. Nr. III dieser Urkunde lautet wie folgt:
„Die Überlassung erfolgt als Ausstattung … Frau … und Herr … verzichten dafür mit Wirkung für sich und ihre Abkömmlinge auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht am Nachlaß ihres Vaters. Herr … nimmt diesen Verzicht hiermit an …”
Zu dieser Urkunde errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 eine Nachtragsurkunde vom 30.7.1982 (Urk.R.Nr. … des Notars …). Sie lautet in Nr. 2 wie folgt:
„Herr … und Frau … vereinbaren hiermit, daß die Überlassung der 2/5-Miteigentumsanteile an dem Grundstück … nicht als Ausstattung, sondern schenkungsweise erfolgt ist und heben den in der Vorurkunde geschlossenen Erb- und Pflichtteilsverzicht einverständlich vollinhaltlich auf.”
3. Drei Tage vor diesem Nachtrag, am 27.7.1982 errichtete der Erblasser zur Urkunde des Notars … … (Urk. R. Nr. …) ein Testament. Darin hob er „etwaige frühere Testamente” auf und berief die Beteiligte zu 1 „zur alleinigen und ausschließlichen Erbin seines gesamten Nachlasses”.
Aufgrund des notariellen Testaments wurde die Beteiligte zu 1 im Grundbuch des Amtsgerichts Freising für … als Eigentümerin der Nachlaßgrundstücke eingetragen.
4. Am 10.1. und 7.2.1985 beantragte die Beteiligte zu 2 beim Nachlaßgericht Freising, ihr einen Erbschein „als Miterbin aufgrund gesetzlicher Erbfolge” zu erteilen. Die Beteiligte zu 1 scheide als Erbin aus, da diese gemäß Urkunde des Notars … vom 7.4.1961 auf alle ihr gegen den Nachlaß des Vaters zustehenden Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichtet habe. Der umfassende Verzicht erfasse auch die spätere Erbeinsetzung durch das notarielle Testament. Außerdem habe der Beteiligte zu 5 in der Urkunde vom 8.2.1974 ebenfalls auf seinen Erb- und Pflichtteil verzichtet.
Mit Beschluß vom 14.2.1985 wies das Amtsgericht Freising den Antrag der Beteiligten zu 2 zurück. Ihre Beschwerde vom 10.5.1985 hat das Landgericht München II mit Beschluß vom 12.12.1985 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, die mit Anwaltsschriftsatz vom 3.6.1986 eingelegt wurde. Sie beantragt, die Beschlüsse des Landgericht und des Amtsgerichts aufzuheben und das Nachlaßgericht Freising anzuweisen, ihr einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, wonach die Beteiligten zu 2, 3 und 4 Miterben zu je einem Drittel seien. Die Beteiligte zu 1 beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Beteiligte zu 1 sei aufgrund des notariellen Testaments vom 27.7.1982 Alleinerbin geworden. Frühere Erbeinsetzungen habe der Erblasser durch dieses Testament rechtswirksam widerrufen. Die Stellung der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin sei durch den notariellen Erbverzichtsvertrag vom 7.4.1961 nicht beeinträchtigt worden. Sowohl der Erbverzichtsvertrag vom 8.2.1974 als auch derjenige vom 7.4.1961 seien wirksam aufgehoben worden. Zwar sei in dem zur Urkunde des Notars … vom 3...