Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an die Begründung einer Beschwerdeentscheidung.

2. Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer Unterbringung zur Vermeidung einer Selbstschädigung setzt voraus, daß ein Betreuter aufgrund seiner Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann.

 

Normenkette

BGB § 1906; FGG § 25

 

Verfahrensgang

LG Weiden i.d.OPf. (Beschluss vom 11.11.1997; Aktenzeichen 2 T 912/97)

AG Weiden i.d. OPf. (Aktenzeichen XVII 7/96)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluß des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 11. November 1997 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Weiden i.d.OPf zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 26.9.1997 die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 25.9.1998 vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluß vom 11.11.1997 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses oder einer soziotherapeutischen Einrichtung genehmigt wird. Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Nach § 25 FGG ist eine Beschwerdeentscheidung zu begründen, weil die weitere Beschwerde nur auf eine Gesetzesverletzung nach § 27 FGG gestützt werden kann und die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts, sofern sie verfahrensfehlerfrei getroffen wurden, für das Rechtsbeschwerdegericht bindend sind. Deshalb müssen die Gründe die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts unter Würdigung des Ergebnisses der Ermittlungen, einer Beweisaufnahme und des Vorbringens der Beteiligten enthalten sowie die Rechtsanwendung auf den festgestellten Sachverhalt, die den Entscheidungsausspruch trägt, darstellen (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. § 25 Rn. 17). Die Gründe müssen eine vollständige Sachdarstellung enthalten (BayObLG NJW-RR 1994, 618; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. § 25 Rn. 1). Eine allgemeine Bezugnahme auf den Akteninhalt genügt nicht (so schon BayObLGZ 1965, 326/328). Die Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts kann die fehlende Sachverhaltsdarstellung nur ersetzen, wenn dort der Sachverhalt umfassend dargestellt ist (Bassenge/Herbst FGG/RPflG § 25 FGG Rn. 2). Daran fehlt es hier. Schließlich kommt die Bezugnahme auf einzelne Aktenbestandteile nur zur Sachverhaltsergänzung in Betracht. Läßt die Entscheidung den für festgestellt erachteten Sachverhalt gar nicht oder nur undeutlich erkennen und fehlt es insbesondere an Tatsachen, die unter das Gesetz subsumiert werden können, so daß die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses vom Rechtsbeschwerdegericht nicht nachgeprüft werden kann, muß die Entscheidung aufgehoben werden (vgl. Jansen a.a.O.). So liegt es hier. Die bloße Wiedergabe von Sachverständigengutachten und eine allgemeine Bezugnahme auf den Akteninhalt kann die erforderliche Sachverhaltsdarstellung nicht ersetzen.

2. a) Der Betreuer darf einen Betreuten freiheitsentziehend nur dann unterbringen, wenn ihm die Aufenthaltsbestimmung zusteht und das Vormundschaftsgericht die Unterbringung genehmigt (§ 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Vormundschaftsgericht muß die Genehmigung erteilen, solange sie zum Wohle des Betreuten jedenfalls deshalb erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit des Betreuten die Gefahr besteht, daß er sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge einer psychischen Erkrankung setzt voraus, daß der Betreute aufgrund der Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann. Der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zu freier Willensbestimmung fähigen Bürger zu erziehen, zu „bessern” oder zu hindern, sich selbst gesundheitlich zu schädigen (BVerfGE 22, 180, 219 f. = FamRZ 1967, 449; BayObLGZ 1993, 18; BayObLG FamRZ 1993, 998/999; BTPrax 1994, 99; Bürgle NJW 1988, 1881, 1885; MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. Rn. 13, Palandt/Diederichsen BGB 57. Aufl. Rn. 4, je zu § 1906).

b) Trunksucht (Alkoholismus) ist für sich allein betrachtet keine psychische Krankheit oder geistige oder seelische Behinderung im Sinne von § 1906 BGB, so daß allein darauf in der Regel die Bestellung eines Betreuers und die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer Unterbringung nicht gestützt werden können (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 209 = NJW 1990, 775). Etwas anderes gilt nur, wenn der Alkoholismus entweder im ursächlichen Zusammenhang mit einem geistigen Gebrechen steht oder ein darauf zurückzuführender Zustand eingetreten ist, der dann – besonders bei hochgradigem Alkoholismus – die Annahme eines geistigen Gebrechens rechtfertigt (BayObLG FamRZ 1991, 608, 609; FamRZ 1...

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