Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbringung wegen Alkoholismus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Unterbringung durch den Betreuer (§ 1906 BGB) zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge psychischer Erkrankung setzt voraus, dass der Betreute krankheitsbedingt seinen Willen nicht frei bestimmen kann, er also außer Stande ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen.

2. Alkoholismus rechtfertigt eine Unterbringung regelmäßig nur dann, wenn dieser im ursächlichen Zusammenhang mit einem geistigen Gebrechen, insb. einer psychischen Erkrankung, steht oder ein auf den Alkoholmissbrauch zurückzuführender Zustand eingetreten ist, der das Ausmaß eines geistigen Gebrechens erreicht hat.

 

Normenkette

BGB § 1906

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Aktenzeichen 1 T 77/03 Ba)

AG Heilbronn (Aktenzeichen XII 22/03)

 

Gründe

I. Der Betroffene, der vor mehr als 10 Jahren erstmals wegen einer manifesten paranoiden Schizophrenie im … stationär behandelt wurde, leidet seit jener Zeit zunehmend an sekundärem Alkoholismus. Neben wiederholten Suizidversuchen war es zu mehrfachen Zwangseinweisungen nach UBG gekommen.

Anlässlich des 10. stationären Aufenthalts hat das Notariat – VormG – nach Einholung eines Gutachtens im Einverständnis des Betroffenen einen Betreuer mit umfassenden Aufgabenbereichen bestellt, darunter auch die Ausübung der Gesundheitsfürsorge und des Aufenthaltsbestimmungsrechts einschl. freiheitsentziehender Maßnahmen, und im Frühjahr 2002 die Betreuerbestellung bis April 2007 verlängert. Ergänzend hat das AG einen weitreichenden Einwilligungsvorbehalt angeordnet, den es 1998 in eingeschränkterem Umfange bis Dezember 2003 verlängert hat.

Im Herbst 2002 ist der Betroffene von der Polizei wegen Belästigung einer Minderjährigen erneut in das Zentrum für Psychiatrie verbracht worden. Nach Widerruf seiner anfänglichen Bereitschaft zur freiwilligen Behandlung (und wiederholtem kurzfristigem Entweichen) hat die Richterin des AG auf Antrag des Betreuers nach Einholung eines mündlichen Gutachtens die geschlossene Unterbringung des Betroffenen für 3 Monate genehmigt, Im Januar 2003 beantragte der Betreuer, eine längerfristige geschlossene Unterbringung zu genehmigen. Nach persönlicher Anhörung des Betroffenen und Einholung einer ärztlichen Stellungnahme genehmigte der Amtsrichter die Verlängerung der geschlossenen Unterbringung bis Februar 2004. Auf die vom Verfahrenspfleger eingelegte sofortige Beschwerde entschied das LG – nach Anhörung des Betroffenen durch die Kammer und Einholung eines mündlichen Gutachtens des Stationsarztes – durch Beschluss vom 12.3.2003 dahin, dass das Rechtsmittel zurückzuweisen sei mit der Maßgabe, dass die Unterbringung auch in einer anderen gleich geeigneten Einrichtung zulässig sei.

Gegen diesen landgerichtlichen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der vom Verfahrenspfleger eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er rügt, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine geschlossene Unterbringung lägen derzeit nicht vor; angesichts des derzeitigen Zustands der Psychose sei eine geschlossene Unterbringung als Maßnahme gegen den Alkoholismus nicht zulässig, zumal der Betroffene seit 1 Monat „trocken” sei.

II. Das im Namen des Betroffenen eingelegte weitere Rechtsmittel des Verfahrenspflegers ist als Rechtsbeschwerde statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG) und auch i.Ü. zulässig.

Es hat insoweit Erfolg, als die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung der rechtlichen Überprüfung nicht standhält, weshalb sie aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Erstbeschwerdegericht zurückzuverweisen war.

1. Das LG hat unter Bezugnahme auf die Angaben des medizinischen Sachverständigen im Anhörungstermin ausgeführt, dass die beim Betroffenen vorliegende psychische Erkrankung derzeit „zufriedenstellend” sei und für sich genommen keine Unterbringung rechtfertige; ein Unterbringungsgrund sei jedoch deshalb zu bejahen, weil die Gefahr bestehe, dass der Betroffene sich aufgrund dieser Krankheit einen erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen werde, indem der Betroffene nach Entlassung alsbald wieder unkontrolliert Alkohol zu sich nehmen und daraufhin verwahrlosen werde. Die Kammer hat weiter ausgeführt, man könne zwar durchaus die Ansicht vertreten, dass diese drohende Gefährdung noch nicht die Schwelle des nach § 1906 BGB erforderlichen „erheblichen” Gesundheitsschadens überschreite mit der Folge, dass man die für den Fall einer sofortigen Entlassung beim Betroffenen prognostizierte Situationsveränderung eigentlich bis zum Eindruck eines klaren gesundheitlichen Schadens hinnehmen müsse. Weiter heißt es:

„Anders ausgedrückt, könnte die Meinung vertreten werden, man müsse es zulassen, dass sich der Betroffene durch seinen Alkoholismus bis an die Grenze der Lebensgefahr ruiniere, um eingreifen zu können. Die Kammer ist anderer Meinung und hält eine Unterbringung im vorliegenden Fall für zulässig, weil nach ihrer Ansicht eine längerfristige Unterbringung des Betroffenen die einzige ...

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