Leitsatz (amtlich)

1. Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr (§ 70 f Abs. 1 Nr. 3 FGG) hinaus eine Unterbringung von zwei Jahren genehmigt, ist diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen (BayObLG v. 20.8.2001 - 3Z BR 250/01, FamRZ 2002, 629; Beschl. v. 25.1.2005 - 3Z BR 264/04).

2. Tragen die Begründung des Beschwerdegerichts und ihr zugrundeliegende ärztliche Gutachten eine solche Abweichung nicht, hat das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung aufzuheben und - sofern nicht aus sonstigen Gründen eine Zurückverweisung geboten ist - die erstinstanzliche Genehmigung der Unterbringung auf die regelmäßige Höchstdauer von einem Jahr zu beschränken.

 

Normenkette

BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1; FGG § 70 f. Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Beschluss vom 23.12.2004; Aktenzeichen 1 T 2182/04)

AG Neuburg a.d. Donau (Aktenzeichen XVII 35/04)

 

Tenor

I. Die Betroffene erhält für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe. Ihr wird Rechtsanwältin als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet.

II. Der Beschluss des LG Ingolstadt v. 23.12.2004 wird aufgehoben.

III. Der Beschluss des AG Ingolstadt v. 26.10.2004 wird dahingehend abgeändert, dass die Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. in einer beschützenden therapeutischen Abteilung/Einrichtung bis zum 25.10.2005 genehmigt wird.

IV. Im Übrigen werden die sofortige Beschwerde und die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

V. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Für die Betroffene ist seit 31.3.2004 die derzeitige Betreuerin u.a. mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Unterbringung bestellt. Nach vorangegangener vorläufiger Unterbringung ab 15.9.2004 genehmigte das VormG auf Antrag der Betreuerin mit sofort wirksamem Beschluss v. 26.10.2004 die Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. in einer beschützenden therapeutischen Abteilung/Einrichtung bis 25.10.2006. Die sofortige Beschwerde der Betroffenen wies das LG mit Beschluss v. 23.12.2004 zurück. Gegen die am 27.12.2004 zugestellte Entscheidung hat die Betroffene mit am gleichen Tag eingegangenem Schreiben anwaltlichem Schreiben v. 7.1.2005 sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II. Das Rechtsmittel ist gem. § 70m Abs. 1, § 70g Abs. 3 S. 1 FGG statthaft, gem. § 29 Abs. 1 und 4, § 22 Abs. 1 FGG zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Aus dem vorläufigen psychiatrischen Gutachten ergebe sich auf breiter Beurteilungsgrundlage schlüssig und für die Kammer jederzeit nachvollziehbar, dass die Betroffene unter psychischen Erkrankungen i.S.d. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB leide, in deren Folge die Willensbestimmungsfreiheit der Betroffenen aufgehoben sei und mit einer akut lebensbedrohlichen Situation aufgrund des aus der Alkoholabhängigkeit sich ergebenden Kontrollverlustes zu rechnen sei. Bei der Betroffenen lägen psychische Erkrankungen einer Persönlichkeitsstörung vom emotional instabilen Typ, eine Alkoholabhängigkeit und eine Essstörung vor. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass die Betroffene ab einer gewissen Trinkmenge nicht mehr in der Lage sei, ihren weiteren Alkoholkonsum zu steuern, was zu maßlosem, unmittelbar lebensbedrohendem Trinken führe. Neben der unmittelbaren Gesundheits- und Lebensgefährdung durch alkoholische Intoxikation sei aufgrund des unkontrollierten Alkoholkonsums der Betroffenen auch mit mittelbaren Selbstschädigungen z.B. durch Zimmerbrand zu rechnen. Die gutachterlich festgestellte Aufhebung der Willensbestimmungsfreiheit der Betroffenen habe sich für die Kammer bei der Anhörung der Betroffenen und deren Telefonaten mit der Kammer bestätigt, in deren Rahmen sie ihre Erkrankung relativiert und verharmlost habe. Die Kammer verkenne nicht, dass Trunksucht für sich allein betrachtet keine psychische Krankheit oder geistige oder seelische Behinderung i.S.d. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei, doch habe der jahrzehntelange Alkoholmissbrauch der Betroffenen zu einem Ausmaß der Alkoholabhängigkeit geführt, das bei erneutem Alkoholkonsum ein Kontrollverlust eintrete, der zu einer akuten Eigengefährdung führe.

Die Höchstdauer der Unterbringung von zwei Jahren begegne keinen Bedenken, da das Gutachten ebenso wie der angehörte Oberarzt zwei Jahre als Minimalbehandlungsdauer ansähen, die erforderlich sei um bei der Betroffenen zunächst eine ausreichende Behandlungsbereitschaft herzustellen, die ein vernünftiges Arbeiten mit ihr erst ermögliche. Da in diesem Rahmen die Möglichkeit eines Behandlungserfolgs gegeben sei, sei die Maßnahme auch geeignet.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in vollem Umfang stand (§ 28 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zu Recht hat das LG allerdings die Voraussetzungen einer geschlossenen Unter...

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