Leitsatz (amtlich)
1. Ergibt sich aus dem Gutachten eindeutig, dass die langjährig schwerwiegend alkoholabhängige Betroffene krankeitsuneinsichtig ist und krankheitsbedingt weitreichende zukunftsorientierte Entscheidungen u.a. bezüglich ihrer Gesundheitsfürsorge nicht realitätsnah treffen kann, rechtfertigt das die Annahme des Ausschlusses der Fähigkeit zur freien Willensbildung auch dann, wenn der Gutachter zusammenfassend ausführt, die Betroffene sei zur freien Willensbildung "nur bedingt in der Lage".
2. Eine die Unterbringungsgenehmigung erübrigende Erklärung zur Freiwilligkeit des Weiteren Klinikaufenthalts muss auch die zeitliche Reichweite der Genehmigung abdecken. Erklärt die Betroffene ausdrücklich, für einen Zeitraum von etwas über drei Monaten freiwillig in der Klinik bleiben zu wollen, ersetzt das nicht eine vom Sachverständigen und VormG mit überzeugender Begründung zur Abwendung konkreter Lebensgefahr bei erneutem Alkoholmissbrauch für notwendig gehaltene Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung bis zu weiteren 21 Monaten.
Normenkette
BGB § 1906 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 22.06.2007; Aktenzeichen 13 T 8984/07) |
AG München (Beschluss vom 30.05.2007; Aktenzeichen 705-XVII 1988/05) |
Tenor
I. Der Beschluss des LG München I vom 22.6.2007 wird aufgehoben.
II. Bei der Entscheidung des AG München vom 30.5.2007 hat es sein Bewenden.
Gründe
I. Im Anschluss an eine vorläufige Unterbringung genehmigte das AG mit Beschluss vom 30.5.2007 auf Antrag der Betreuerin die Unterbringung der Betroffenen in der beschützenden Abteilung einer therapeutischen Einrichtung bis längstens 29.5.2009. Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 31.5.2007 hob das LG mit Beschluss vom 22.6.2007 die amtsgerichtliche Entscheidung auf, ohne jedoch die sofortige Wirksamkeit seiner eigenen Entscheidung anzuordnen. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Betreuerin das Ziel, den Genehmigungsbeschluss des VormG wiederherstellen zu lassen.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
1. Das LG hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB wegen drohender erheblicher Selbstschädigung lägen nicht vor, da die Fähigkeit der Betroffenen zur freien Willensbildung nicht aufgehoben, sondern lediglich eingeschränkt sei. Das Gericht habe sich bei der Anhörung der Betroffenen überzeugt, dass diese sich der akuten Lebensgefahr bei erneutem Alkoholkonsum bewusst sei und sich freiwillig Therapieangeboten stellen wolle. Der zum Anhörungstermin zugezogene Sachverständige habe die der Betroffenen für den Fall eines weiteren Rückfalls drohende Lebensgefahr zwar bestätigt, die freie Willensbildung aber als lediglich eingeschränkt, nicht jedoch aufgehoben angesehen. Im Übrigen habe die Betroffene nach Auffassung des Sachverständigen durch zwischenzeitliche abstinente Phasen gezeigt, dass sie Alkoholkonsum ggü. kritikfähig sein könne und sich bemühe, abstinent zu leben. Die landgerichtliche Einschätzung würde bestätigt durch das vom AG in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten vom 8.5.2007, demzufolge die Betroffene ihren Willen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Unterbringung nur bedingt frei bestimmen könne und bezüglich der Tragweite der freiheitsbeschränkenden Maßnahme nur sehr beschränkt einsichtsfähig sei; eine Aufhebung der freien Willensbildung sei auch in diesem Gutachten nicht attestiert worden. Eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Durchführung einer Heilbehandlung komme ebenfalls nicht in Betracht. Zwar bedürfe die Betroffene weiterhin stationärer Behandlung, um ihren Zustand zu stabilisieren. Die Betroffene zeige zwar keine grundlegende Krankheitseinsicht, habe jedoch die aus dem Alkoholkonsum drohenden Gefahren erkannt und wolle Therapieangebote sowohl stationär als auch ambulant in Anspruch nehmen. Aufgrund des in der persönlichen Anhörung gewonnenen Eindrucks von der Betroffenen gehe das Gericht nicht davon aus, dass die fehlende grundlegende Krankheitseinsicht auf geistig-seelischen Defiziten der Betroffenen beruhe. Im Übrigen habe die Betroffene bei ihrer Anhörung am 21.6.2007 eine Einverständniserklärung unterzeichnet, derzufolge sie - mit Ausnahme von zehn Tagen im August 2007, an denen sie als Schauspielerin arbeite - bis einschließlich Oktober 2007 in der beschützenden Einrichtung des Sozialtherapeutischen Zentrums verbleiben und Therapieangebote wahrnehmen wolle. Das Gericht stimme mit dem angehörten Sachverständigen und der Stationsleiterin überein, dass diese Erklärung der Betroffenen von einem ernstlichen und dauerhaften natürlichen Willen getragen und somit beachtlich sei.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.
a) Der Betreuer darf den Betroffenen freiheitsentziehend nur dann unterbringen, wenn ihm die Aufenthaltsbestimmung zusteht und das VormG die Unterbringung genehmigt (§ 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dieses...