Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlasspflegschaft. Anordnung einer Nachlasspflegschaft bei unbekannten Erben
Leitsatz (redaktionell)
Dem Nachlass- und dem Beschwerdegericht unbekannt ist der Erbe auch dann, wenn mehrere Personen als Erben in Betracht kommen und sich der Tatrichter nicht ohne umfangreiche Ermittlungen davon überzeugen kann, wer von ihnen der wahre Erbe ist.
Normenkette
BGB § 1960
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 08.01.1990; Aktenzeichen 16 T 17664/89) |
AG München (Aktenzeichen 91 VI 7312/89) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 8. Januar 1990 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der … Erblasser ist am 5.8.1989 verstorben. Aufgrund dem Nachlaßgericht vorliegender Schriftstücke vom 15. und 17.2.1989 sowie vom 27.4.1989 kommen als testamentarische Erben die Beteiligten zu 1 bis 5 in Betracht. Die Beteiligte zu 1 hat am 8.8.1989 einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweisen soll. Sie stützt sich auf die Schriftstücke vom 27.4.1989. Die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers im Jahr 1989 ist noch ungeklärt. Gesetzliche Erben können die Beteiligten zu 6 bis 9 sein.
Mit Beschluß vom 11.8.1989 hat das Nachlaßgericht für die unbekannten Erben Nachlaßpflegschaft mit dem Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses angeordnet und den weiteren Beteiligten als Nachlaßpfleger ausgewählt. Die nach Nichtabhilfe als Beschwerde vorgelegte Erinnerung gegen die Anordnung der Nachlaßpflegschaft hat das Landgericht mit Beschluß vom 8.1.1990 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist zulässig. Die Beteiligte zu 1 ist befugt, die Anordnung der Nachlaßpflegschaft anzufechten, weil sie für sich die Rechtsstellung als Erbin in Anspruch nimmt, in der sie durch die angefochtene Maßnahme beeinträchtigt wird (§ 20 Abs. 1, § 29 Abs. 4 FGG). Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Anordnung der Nachlaßpflegschaft sei schon deshalb gerechtfertigt, weil derzeit noch nicht feststehe, wer Erbe sei. Zur Frage der von den Beteiligten zu 2 und 5 angezweifelten Testierfähigkeit des Erblassers lägen unterschiedliche Äußerungen von Ärzten vor. Deshalb sei eine gesetzliche Erbfolge ebenso denkbar wie eine testamentarische Erbeinsetzung, wobei noch ungeklärt sei, ob dabei auf das letzte Testament abzustellen ist. Abgesehen davon sei schon wegen des umfangreichen Nachlasses eine Nachlaßpflegschaft erforderlich.
2. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsfehlern (§ 27 Satz 2 FGG, § 550 ZPO).
a) Die Begründung, mit der das Landgericht die Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 und 2 BGB bejaht, ist zutreffend, wenn die Erben unbekannt sind, kann das Nachlaßgericht gemäß § 1960 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB für denjenigen, der Erbe wird, einen Pfleger (Nachlaßpfleger) bestellen, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht. Ob der Erbe „unbekannt” ist, muß bei der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen vom Standpunkt des Nachlaßgerichts aus geprüft werden, wenn gegen seine Entscheidung Beschwerde erhoben wird, tritt an die Stelle der Beurteilung des Nachlaßgerichts die tatrichterliche Prüfung der Beschwerdekammer. Dem Nachlaß- und dem Beschwerdegericht unbekannt ist der Erbe auch dann, wenn mehrere Personen als Erben in Betracht kommen und sich der Tatrichter nicht ohne umfangreiche Ermittlungen davon überzeugen kann, wer von ihnen der wahre Erbe ist (BayObLGZ 1960, 405/406, OLG Köln FamRZ 1989, 435/436, jeweils m.w.Nachw.).
b) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler dargelegt, warum es sich nicht schon jetzt davon überzeugen kann, wer Erbe geworden ist und welche tatsächlichen Hindernisse einer sofortigen Erbscheinserteilung entgegenstehen. Es liegen mehrere Schriftstücke vor, die als letztwillige Verfügungen mit Erbeinsetzungen in Betracht kommen. Die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers zu den verschiedenen in Betracht kommenden Zeitpunkten ist nicht mit einer ausreichend hohen Wahrscheinlichkeit geklärt (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 49. Aufl. § 1960 Anm. 2 b m.w.Nachw.), um den oder die Erben nicht als unbekannt im Sinn von § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen.
c) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch das Bedürfnis für die Nachlaßpflegschaft bejaht. Es besteht ein Bedürfnis zur Sicherung des Nachlasses durch eine Nachlaßpflegschaft, da der Erblasser ein erhebliches Vermögen hinterlassen hat, zu dem auch ein umfangreicher und zum Teil vermieteter Grundbesitz gehört.
3. Wer die Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Erstattungsanordnung (§ 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG) unterbleibt, weil die anderen Beteiligten im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht mehr hervorgetreten sind.
4. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird zurückgestellt, weil der Umfang des Nachlasses (vgl. § 106 Abs. 1 Satz 3 KostO) noch nicht festgestellt ist.
5. Der Senat ...