Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Verweisung wegen der örtlichen Unzuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Liegen die Voraussetzungen der Verweisung nach § 281 ZPO (z. B. die örtliche Unzuständigkeit) nur für einen von mehreren prozessualen Ansprüchen vor, muss - wenn die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorliegen - erst die Trennung (§ 145 ZPO) angeordnet werden, bevor die Verweisung ausgesprochen werden kann, es sei denn eine Trennung ist z. B. wegen notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO) unzulässig.
Normenkette
ZPO §§ 12, 17, 29c, 32b, 36 Abs. 1 Nr. 3, §§ 62, 145, 281
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 09.07.2019; Aktenzeichen 3 O 13700/18) |
Tenor
Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 9. Juli 2019 ist nicht bindend.
Die Sache wird an das Landgericht München I zurückgegeben.
Gründe
I. Mit seiner zum Landgericht München I erhobenen Klage macht der im Bezirk des Landgerichts Koblenz wohnhafte Kläger als Alleinerbe seiner im Jahr 2017 verstorbenen Ehefrau Schadensersatzansprüche wegen einer Falschberatung im Zusammenhang mit einer im Oktober 2013 gezeichneten Kapitalanlage geltend.
Nach dem Klagevortrag habe der Beklagte zu 1) im August 2013 dem Ehepaar in dessen - im Bezirk des Landgerichts Koblenz liegenden - Wohnung als privater Anlageberater das Anlageprodukt empfohlen. Der letzte bekannte Wohnort des Beklagten zu 1) liege im Bezirk des Landgerichts Gießen. Eine Nachfrage bei früheren Nachbarn habe ergeben, dass sich der Beklagte zu 1) bei seiner Tochter aufhalte, die im Bezirk des Landgerichts Frankfurt am Main wohne. Eine beim dortigen Einwohnermeldeamt getätigte Anfrage habe ergeben, dass der Beklagte zu 1) seinen offiziellen Wohnsitz ins Ausland verlegt habe, der jedoch unbekannt sei. Die Beklagte zu 2), die ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts München I habe, sei finanzberatend tätig. Deren Vorstand habe die Beratung fortgesetzt. Der Kläger ist der Ansicht, das angerufene Gericht sei örtlich zuständig, da er die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch nehme und diese somit als Streitgenossen zu behandeln seien. Die Zuständigkeit ergebe sich auch aus prozessökonomischen Gründen, da es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handle. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) ergebe sich die Zuständigkeit des Landgerichts München I aus §§ 12, 17 ZPO; für den Beklagten zu 1) könne derzeit ein Gerichtsstand nicht angenommen werden.
Die Beklagte zu 2) hat zur Auswahl des Landgerichts München I als gemeinsamen Gerichtsstand eingewandt, der Kläger habe die Zuständigkeit nach § 29c ZPO übersehen.
Das Landgericht München I hat mit Verfügung vom 3. Mai 2019, die an die Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten zu 2) herausgegeben wurde, darauf hingewiesen, es sei nur hinsichtlich der Beklagten zu 2) zuständig. Hinsichtlich des Beklagten zu 1) bestehe die Möglichkeit, die Klage abzutrennen und an das Landgericht Koblenz zu verweisen; sollte der Kläger weiterhin auch eine Entscheidung im Hinblick auf den Beklagten zu 1) beantragen, wäre die Klage wegen Unzuständigkeit abzuweisen.
Der Kläger hat darauf mit Schriftsatz vom 6. Juni 2019 Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Koblenz beantragt, das für alle Beklagten nach § 29c ZPO zuständig sei. Eine Abtrennung der Klage gegen den Beklagten zu 1) sei nicht erwünscht.
Mit Beschluss vom 9. Juli 2019 hat sich das Landgericht München I für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Koblenz verwiesen. Es habe zuletzt am 3. Mai 2019 auf seine örtliche Unzuständigkeit hingewiesen und den Parteien insoweit rechtliches Gehör gewährt. Das angerufene Gericht sei im Hinblick auf den Beklagten zu 1) örtlich unzuständig. Die Klage sei im Hinblick auf den Beklagten zu 1) rechtshängig, da laut Postzustellungsurkunde vom 28. März 2019 eine Zustellung durch Einlegung in den Briefkasten zur Wohnung (der Tochter) erfolgt sei, in welcher der Beklagte zu 1) seinen Lebensmittelpunkt gehabt habe. Dies habe eine Nachfrage bei der Nachbarin ergeben. Das Landgericht München I wäre nur im Hinblick auf die Beklagte zu 2) nach § 17 ZPO zuständig. Eine Abtrennung des Verfahrens im Hinblick auf den Beklagten zu 1) habe der Kläger nicht gewünscht. Eine Zuständigkeit des Landgerichts München I nach § 32b ZPO komme nicht in Betracht, da weder Emittent noch Anbieter ihren Sitz im Inland hätten. Am Landgericht Koblenz bestehe ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 29c Abs. 1 Satz 1 ZPO. Nach dem Vortrag der Klagepartei hätten die Beratungsgespräche, die zum Abschluss der streitgegenständlichen Beteiligung der verstorbenen Ehefrau des Klägers führten, in der Wohnung des Ehepaares im Bezirk des Landgerichts Koblenz stattgefunden.
Das Landgericht Koblenz hat am 4. September 2019 darauf hingewiesen, dass es den Verweisungsbeschluss für nicht bindend hält, und sich insbesondere mit Beschluss vom 26. November 2019 für örtlich unzuständig erklärt, ...