Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinschaftliches Testament
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anfechtung der letztwilligen Verfügung des Erblassers ist auch dann möglich, wenn sie wechselbezüglich ist. Auch eine wechselbezügliche Verfügung (§ 2270 Abs. 1 BGB) kann nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten durch den neuen Ehegatten als überganenen Pflichtteilsberechtigten angefochten werden, so dass diesem der gesetzliche Erbteil zusteht.
2. War die Verfügung des Erblassers in dem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich, so unterliegt das Anfechtungsrecht des pflichtteilsberechtigten neuen Ehegatten den Einschränkungen, die gemäß § 2281 bis § 2285 BGB für die Anfechtung eines Erbvertrags gelten. Das Anfechtungsrecht des Pflichtteilsberechtigten würde daher ausgeschlossen sein, wenn das Anfechtungsrecht des Erblassers, der das gemeinschaftliche Testament selbst nicht angefochten hat, zur Zeit des Erbfalls ausgeschlossen gewesen wäre.
Normenkette
BGB §§ 203, 2270 Abs. 1, §§ 2281, 2282 Abs. 2, § 2285
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 30.10.1987; Aktenzeichen 16 T 13939/87) |
AG München (Aktenzeichen 95 VI 5396/86) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 30. Oktober 1987 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2 hat die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 112.500 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Erblasser verstarb am 27.5.1986 im Alter von 61 Jahren. Er war seit 26.2.1986 in zweiter, kinderloser Ehe mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand.
In erster Ehe war der Erblasser mit der im Jahr 1984 verstorbenen J. verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe ist der Beteiligte zu 2 als einziges Kind des Erblassers hervorgegangen. Am 20.10.1960 hatten die Eheleute ein von der Ehefrau handgeschriebenes und unterzeichnetes Testament errichtet, das der Erblasser mitunterzeichnete. Es lautet wie folgt:
Testament
Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben und unseren Sohn … als Nacherben auf das ein, was von der Erbschaft bei dem Tod des überlebenden noch übrig sein wird.
Auf Grund dieses Testaments wurde dem Erblasser nach dem Tod der ersten Ehefrau ein Erbschein erteilt, der ihn als alleinigen befreiten Vorerben und den Beteiligten zu 2 als Nacherben auswies.
Nach dem Tod des Erblassers hat das Amtsgericht – Nachlaßgericht – München die Nachlaßakten J. (Aktenzeichen VI 19/85), in denen sich das gemeinschaftliche Testament befindet, beigezogen. Auf Antrag der Beteiligten zu 1 sowie des Beteiligten zu 2 hat es durch Beschluß vom 14.7.1986 einen gemeinschaftlichen Erbschein bewilligt, demzufolge der Erblasser von den Beteiligten zu 1 und 2 je zur Hälfte beerbt worden ist. Den Beteiligten ist am 15.7.1986 je eine Ausfertigung des Erbscheins erteilt worden.
Mit Schriftsatz vom 2.3.1987, bei Gericht eingegangen am 11.3.1987, hat der Beteiligte zu 2 beantragt, den Erbschein einzuziehen mit der Begründung, er sei auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments Alleinerbe. Durch Beschluß vom 20.5.1987 hat das Nachlaßgericht die Einziehung des Erbscheins angeordnet. Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Durch Schriftsatz vom 10.6.1987, eingegangen am selben Tag, hat sie gegenüber dem Nachlaßgericht die Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments erklärt mit der Begründung, sie sei als Pflichtteilsberechtigte übergangen. Der Beteiligte zu 2 ist der Beschwerde entgegengetreten. Außerdem hat er beantragt, ihm einen Erbschein als Alleinerbe zu erteilen.
Am 30.10.1987 hat das Landgericht den Beschluß des Nachlaßgerichts aufgehoben. Die Geschäftsstelle hat den Beschluß erst am 13.11.1987 an die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten hinausgegeben. Am 12.11.1987 war ein Schriftsatz des Beteiligten zu 2 vom 10.11.1987 bei der Allgemeinen Einlauf stelle I der Justizbehörden in München eingelaufen. Der Schriftsatz wurde am 19.11.1987 dem Berichterstatter der Beschwerdekammer vorgelegt.
Der Beteiligte zu 2 hat weitere Beschwerde eingelegt. Er beantragt, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben und die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen. Die Beteiligte zu 1 beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen. Außerdem beantragt sie, ihr Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der gemeinschaftliche Erbschein vom 14.7.1986 sei sachlich richtig. Der Erblasser sei von den Beteiligten auf Grund gesetzlicher Erbfolge beerbt worden. Das gemeinschaftliche Testament vom 20.10.1960 sei nicht so auszulegen, daß es eine Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2 für den Tod des Letztversterbenden enthalte. Die Auslegungsregel des § 2101 Abs. 1 BGB (gemeint ist § 2102 Abs. 1) sei nicht anzuwenden, wonach die Einsetzung als Nacherbe auch die als Ersatzerbe enthalte.
Selbst wenn man von...