Leitsatz (amtlich)

1. Auch ein größerer Zeitraum (hier: über 22 Monate) zwischen mündlicher Verhandlung und Beschlussfassung im wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren begründet für sich allein keinen Mangel der angefochtenen Entscheidung.

2. Sind die wohnungseigentumsrechtlichen Vorschriften über bauliche Veränderungen wirksam abbedungen, beurteilt sich ein Anspruch auf Beseitigung einer solchen nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts.

3. Das Rechtsbeschwerdegericht selbst ist grundsätzlich an die rechtliche Beurteilung, die es in seinem zurückverweisenden Beschluss zugrunde gelegt hat, gebunden, falls die Sache nach erneuter Rechtsbeschwerde gegen die neue Beschwerdeentscheidung noch einmal dorthin gelangt.

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 08.12.2003; Aktenzeichen 6 T 4551/98)

AG Garmisch-Partenkirchen (Aktenzeichen UR II 34/98)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des LG München II vom 8.12.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Anschlussrechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen die Entscheidung des LG über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten (Nr. II vierter Absatz) wird zurückgewiesen.

III. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners im Rechtsbeschwerdeverfahren zu tragen.

Der weitere Beteiligte trägt seine außergerichtlichen Kosten im Rechtsbeschwerdeverfahren selbst.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten waren die Wohnungseigentümer einer aus drei Gebäuden bestehenden Wohnanlage. Jedem der drei Beteiligten gehörte ein Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an einem Gebäude; mit jedem Wohnungseigentum ist das Sondernutzungsrecht an einer Grundstücksfläche einschließlich der darauf bestehenden Gebäude verbunden. Inzwischen ist das Wohnungseigentum der Antragsteller zwangsversteigert und einem Dritten zugeschlagen.

Die als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung in der Teilungserklärung vom 30.11.1990 lautet auszugsweise wie folgt:

Die einzelnen Raumeinheiten bilden je wirtschaftlich getrennte Einheiten, wie wenn sie Alleineigentum wären, so dass wirtschaftlich gesehen gemeinschaftliches Eigentum außer der Zufahrt nicht vorhanden ist. Soweit tatsächlich aus-scheidbar und gesetzlich zulässig sind daher die einzelnen Sondereigentumseinheiten samt Sondernutzungsrechten als selbständige Einheiten an zusehen und zu behandeln, so, als ob es sich je um entsprechendes Alleineigentum handeln würde. Im Zweifelsfall soll jeweils davon ausgegangen werden, dass es sich eigentlich um eine Realteilung handeln soll.

Daher bedarf es zu baulichen Veränderungen und Aufwendungen aller Art auf dem jeweiligen Anwesen nicht der Zustimmung des bzw. der jeweiligen Sondereigentümer der anderen Anwesen, weil deren Rechte dadurch nicht beeinträchtigt werden.

In dem Vertrag vom 30.11.1990, mit dem sie ihr Wohnungseigentum von dem weiteren Beteiligten kauften, verpflichteten sich die Antragsteller, vom 1.1.1996 an Bauerweiterungen auf den Objekten des anderen Vertragsteiles zuzustimmen und bei der Stellung von Bauanträgen als Miteigentümer mitzuwirken.

Dieselbe Verpflichtung ging der Antragsgegner in dem Vertrag vom 27.5.1991 ein, mit dem er sein Wohnungseigentum von dem weiteren Beteiligten erwarb.

Schließlich verpflichteten sich die Antragsteller in einem gerichtlichen Vergleich vom 21.4.1993, ihre nachbarschaftliche Zustimmung bzw. ihr nachbarschaftliches Einvernehmen mit der Errichtung eines Anbaus durch den Antragsgegner gem. dem bereits vorgelegten Bauplan zu erteilen.

Der Antragsgegner verpflichtete sich in dem Vergleich, den Anbau so auszuführen, dass nach Erstellung des Anbaus keinerlei Lärmbelästigung auf Seiten der Antragsteller eintreten kann.

Der in dem Vergleich erwähnte Bauplan sah einen Anbau mit einem Flachdach vor. Der Antragsgegner errichtete den Rohbau seines geplanten Anbaus jedoch im Jahr 1997 mit einem sog. abgeschleppten Dach, das sich an das Hausdach anschloss und den gleichen Neigungswinkel wie dieses aufweist. Als Folge der Vordachveränderung wurden die gesetzlichen Abstandsflächen nicht eingehalten.

Durch bestandskräftigen Bescheid des Landratsamts vom 26.11.1998 wurde die Abänderung des Dachverlaufs von einem Flachdach zu einem Schrägdach unter Auflagen genehmigt; dabei wurde für das Unterschreiten der gesetzlichen Abstandsflächen nach Nordosten, nämlich zum Gebäude der Antragsteller hin, eine Abweichung zugelassen. Endgültig fertig gestellt ist der Anbau noch nicht.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner zur Beseitigung des Anbaus zu verpflichten. Ein ursprünglicher Gegenantrag ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr von Bedeutung. Das AG hat am 17.7.1998 den Antragsgegner zur Beseitigung des Anbaus verpflichtet. Hiergegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG hat durch ...

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