Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachverständigengutachten zur Testierunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Ob der Testierende wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen einer Bewußtseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung seines Testaments einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann in der Regel nicht vom Gericht allein, sondern nur mit Hilfe eines fachkundigen Sachverständigen beurteilt werden. Ohne das Gutachten eines solchen Sachverständigen wird das Gericht regelmäßig nicht von Testierunfähigkeit ausgehen können.

 

Normenkette

BGB § 2229 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 06.02.1997; Aktenzeichen 4 T 2994/96)

AG Altötting (Aktenzeichen VI 153/96)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 6. Februar 1997 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 20.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Erblasserin starb am 5.3.1996 im Alter von 90 Jahren verwitwet und kinderlos. Der Beteiligte zu 1 ist ein Neffe des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin, die Beteiligten zu 2 bis 19 sind Neffen und Nichten der Erblasserin.

Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 27.3.1990 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten. Ferner bestimmten sie „als Erben des Hauses mit der ganzen Einrichtung” den Beteiligten zu 1, ersatzweise dessen Bruder E., und ordneten an, daß der „Haupterbe” (der Beteiligte zu 1) die Beerdigungskosten und die Grabpflege zu übernehmen habe. Ferner solle er Vermächtnisse an seinen Bruder E. sowie an mehrere Neffen und Nichten der Erblasserin auszahlen. Das Testament wurde vom Ehemann der Erblasserin handschriftlich verfaßt und unterschrieben. Die Erblasserin hat das Testament mit dem handschriftlichen Hinweis versehen, vorstehendes Testament sei auch ihr letzter Wille, und unterschrieben.

Der Beteiligte zu 1 hat aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.3.1990 beantragt, ihm einen Alleinerbschein zu erteilen. Diesem Antrag ist der Beteiligte zu 2 entgegengetreten, weil das gemeinschaftliche Testament wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin ungültig sei.

Das Nachlaßgericht hat die Nachlaßakten betreffend den Nachlaß des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin und die Akten über das für die Erblasserin nach dem Tod des Ehemannes im August 1990 eingeleitete Betreuungsverfahren beigezogen. Außerdem hat es eine Stellungnahme des Hausarztes der Erblasserin eingeholt.

Am 1.7.1996 erließ es einen Vorbescheid, daß es beabsichtige, dem Beteiligten zu 1 auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.3.1990 einen Alleinerbschein zu erteilen. Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt. Der Beteiligte zu 1 ist ihr entgegengetreten. Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluß vom 6.2.1997 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht ist übereinstimmend mit dem Nachlaßgericht davon ausgegangen, daß der Beteiligte zu 1 Alleinerbe auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.3.1990 geworden sei. Die Testierunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung sei nicht nachgewiesen, es bestehe nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Die Erblasserin sei seit 1980 in der Behandlung des Internisten Dr. B. gestanden; dieser habe sie im März und April 1990 untersucht. Er habe sie im Gegensatz zu dem Arzt des Staatlichen Gesundheitamtes, der sie im Rahmen des Betreuungsverfahrens am 24.9.1990 untersucht hatte, nicht für geschäftsunfähig gehalten. Da außer den gegensätzlichen Äußerungen der Beteiligten zu 1 und 2 keine weiteren Beweismittel ersichtlich seien, sei es auch nicht erforderlich gewesen, das Sachverständigengutachten eines Arztes für Psychiatrie einzuholen.

2. Der Beschluß des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1, § 550 ZPO) stand.

a) Die Feststellung des Landgerichts, daß die Testierunfähigkeit (§ 2229 Abs. 4 BGB) der Erblasserin bei Errichtung des Testaments nicht erwiesen sei, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (vgl. BayObLGZ 1995, 383/388 und ständige Rechtsprechung). Sie kann nur damit angegriffen werden, daß hierbei der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und damit gegen § 12 FGG, § 2358 Abs. 1 BGB verstoßen wurde, daß Vorschriften über die Form der Beweisaufnahme (§ 15 FGG) verletzt wurden oder daß die Beweiswürdigung in bestimmter Weise fehlerhaft ist.

b) Ob der Testierende wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen einer Bewußtseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung seines Testaments einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann in der Regel nicht vom Gericht allein, sondern nur mit Hilfe eines fachkundigen Sachverständigen beurteilt werden (vgl. BayObLG NJW-RR 1990, 1419/1420 und ständige Rechtsprechung; Pa...

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