Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaß. Entlassung des Testamentsvollstreckers. Testamentsvollstreckung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein wichtiger Grund im Sinn des § 2227 BGB für die Entlassung des Testamentsvollstreckers ohne Rücksicht auf ein Verschulden kann dann gegeben sein, wenn zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Erben ein nicht nur auf subjektiven Empfindungen, sondern auf Tatsachen beruhendes Mißtrauen besteht.

2. Die Untätigkeit des Testamentsvollstreckers der Erbin auf ihr Ersuchen vollständig Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, gibt nicht nur zu Mißtrauen Anlass. Sie stellt auch eine Verletzung der dem Testamentsvollstrecker gemäß § 2218 Abs. 1, § 666 BGB obliegenden Verpflichtungen dar, dem Erben auf Verlangen Auskunft zu erteilen und jährlich Rechnung zu legen (§ 2218 Abs. 2 BGB).

 

Normenkette

BGB § 2227

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 08.05.1987; Aktenzeichen 4 T 2452/86)

AG Kaufbeuren (Aktenzeichen VI 203/83)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 8. Mai 1987 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die Kosten zu erstatten, die ihr im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstanden sind.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Am 1.6.1983 verstarb in F. der ehemalige Geschäftsführer L. B. (Erblasser) im Alter von 57 Jahren. Die Beteiligte zu 1 ist seine Tochter aus erster, geschiedener Ehe. Die Beteiligte zu 4 ist seine nichteheliche Tochter, die Beteiligte zu 3 seine Witwe und langjährige Lebensgefährtin. Die Ehe wurde am 6.4.1983 geschlossen.

Am 26.10.1977 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er die Beteiligte zu 1 zu seiner Erbin einsetzte. Zugunsten der Beteiligten zu 3 ordnete er verschiedene Vermächtnisse an. Sein Bargeld, die Bankguthaben sowie Forderungen sollte sie zur Hälfte erhalten, zudem das gesamte Wohnungsinventar und außerdem einen lebenslangen Nießbrauch an seiner Eigentumswohnung in F. Auch hinsichtlich seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter traf er eine Regelung zugunsten der Beteiligten zu 3. In Nr. 5 lautet das Testament wie folgt:

„Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich den Rechtsanwalt Ch. H., bei K. Sollte dieser zur Annahme des Amtes nicht in der Lage oder bereit sein, so soll der Direktor bei dem Amtsgericht Lüdenscheid einen Testamentsvollstrecker bestimmen. …”

Dieses Testament ergänzte der Erblasser durch ein weiteres notarielles Testament vom 11.9.1981 sowie durch ein handschriftliches Testament vom 28.10.1982 dahin, daß er der Beteiligten zu 3 auch den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an einer Eigentumswohnung in Sch. vermachte und außerdem eine neu erworbene Eigentumswohnung in F.

Der Beteiligte zu 2 hat das Amt als Testamentsvollstrecker am 12.9.1983 angenommen. Mit Schreiben vom 20.2.1984 hat er auf Formblatt ein Verzeichnis des Nachlasses und der Nachlaßverbindlichkeiten zu den Akten übersandt. Hierzu hat er ausgeführt, das Verzeichnis sei auf Grund der Angaben und Schätzwerte der Beteiligten zu 3 gefertigt worden.

Die Beteiligte zu 4 hat mit einer schriftlichen Abfindungserklärung vom 26.11.1984 gegen Zahlung von 70.000 DM auf alle weiteren Unterhalts- und Pflichtteilsansprüche verzichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt waren auch die Eintragungen im Grundbuch zugunsten der Beteiligten zu 3 vollzogen.

Am 12.6.1985 hatte die Beteiligte zu 3 beim Nachlaßgericht beantragt, den Beteiligten zu 2 als Testamentsvollstrecker zu entlassen, weil dieser trotz zahlreicher Mahnungen nicht in der Lage gewesen sei, ein Vermögensverzeichnis sowie einen Teilungsplan über den Nachlaß zu fertigen und den Beteiligten mitzuteilen. Mit Beschluß vom 26.6.1985 hatte das Nachlaßgericht den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 3 war erfolglos geblieben.

Mit Schriftsatz vom 8.10.1986 beantragte die Beteiligte zu 1, den Testamentsvollstrecker zu entlassen. Der Beteiligte zu 2 habe trotz Aufforderung über die weiteren Geschäfte zur Abwicklung des Nachlasses nicht Rechnung gelegt. Obwohl die Beteiligte zu 1 ihn in einer Reihe von Schreiben selbst um Unterlagen und Auskunft gebeten habe, außerdem durch sechs Schreiben ihres Rechtsanwalts, zuletzt am 9.7.1986 unter Fristsetzung bis zum 18.7.1986, sei er untätig geblieben. Lediglich einzelne Belege und Teilauskünfte habe sie erhalten. Unterlagen und Auskunft über Guthaben bei Banken, Sparkassen, Postscheckamt sowie über Bargeld seien ihr vorenthalten worden. Es sei ihr nicht möglich gewesen, sich den notwendigen Einblick in die wirtschaftliche Situation des Nachlasses zu verschaffen. Daher sei sie nicht in der Lage, wirtschaftliche Dispositionen zu treffen. Das Nachlaßgericht hat den Antrag dem Beteiligten zu 2 zur Stellungnahme zugeleitet. Dieser hat sich nicht geäußert. Mit Beschluß vom 7.11.1986 hat das Nachlaßgericht den Antrag zurückgewiesen. G...

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