Entscheidungsstichwort (Thema)

Testierfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Bestimmung des § 2229 Abs. 4 BGB, faßt lediglich sachlich die Gesichtspunkte zusammen, die gemäß § 104 Nr. 2, § 105 Abs. 2 BGB zur Nichtigkeit einer Willenserklärung führen. Sowohl die Geschäftsunfähigkeit wie die Testierunfähigkeit volljähriger Personen setzen eine Störung der Geistestätigkeit im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung voraus, die ein Handeln in freier Willensbestimmung ausschließt.

 

Normenkette

BGB § 104 Nr. 2, § 105 Abs. 2, § 2229 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 07.11.1995; Aktenzeichen 4 T 564/95)

AG Lindau (Bodensee) (Aktenzeichen VI 629/92)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 7. November 1995 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 5.850 DM festgesetzt wird.

II. Die Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.850 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der im Alter von 78 Jahren verstorbene Erblasser war zweimal verheiratet. Aus seiner ersten, 1947 durch den Tod der Frau beendeten Ehe stammen zwei Töchter, darunter die Beteiligte zu 2, aus seiner zweiten Ehe mit der Beteiligten zu 1 eine weitere Tochter.

Im Jahr 1965 hat die Mutter des Erblassers diesem ihr landwirtschaftliches Anwesen übergeben. Am 30.10.1972 hat der Erblasser mit der Beteiligten zu 1 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem die Ehegatten Gütergemeinschaft vereinbart und sich gegenseitig zu unbeschränkten Alleinerben eingesetzt haben. In einem weiteren notariellen Erbvertrag vom 26.2.1985 haben die Ehegatten ausdrücklich auf diese gegenseitige Erbeinsetzung verwiesen und den früheren Erbvertrag seinem gesamten Inhalt nach unverändert aufrecht erhalten. Ergänzend haben sie die Tochter aus zweiter Ehe und deren Kinder zu Schlußerben eingesetzt. Mit notariellem Vertrag vom 26.8.1986 haben die Eheleute das Hofgrundstück an die Tochter aus zweiter Ehe übergeben, nachdem zuvor weitere zu dem landwirtschaftlichen Anwesen gehörende Grundstücke veräußert worden waren.

Die Beteiligte zu 2 ist der Ansicht, daß der Erblasser nicht zur Verfügung über das ihm von seiner Mutter überlassene landwirtschaftliche Anwesen berechtigt gewesen sei. Er habe deshalb auch nicht einen Ehe- und Erbvertrag mit seiner zweiten Ehefrau abschließen dürfen, der die Rechte der Kinder aus erster Ehe außer acht lasse. Außerdem sei der Erblasser wegen einer Kriegsverletzung und wegen Alkoholmißbrauchs nicht testierfähig gewesen. Mit dieser Begründung hat die Beteiligte zu 2 am 15.12.1994 zur Niederschrift des Nachlaßgerichts die letztwilligen Verfügungen des Erblassers in den beiden Erbverträgen angefochten und einen Erbschein beantragt, der die Beteiligte zu 1 zu 1/2 sowie die drei Kinder des Erblassers zu je 1/6 als gesetzliche Erben ausweisen soll. Das Nachlaßgericht hat diesen Antrag abgelehnt. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 mit Beschluß vom 7.11.1995 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 2 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Landgerichts weitere Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte zu 1 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Lediglich die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren ist abzuändern.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Erbfolge nach dem Erblasser richte sich nach den Erbverträgen vom 30.10.1972 und 26.2.1985. Darin habe der Erblasser die Beteiligte zu 1 zu seiner Alleinerbin eingesetzt. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Verfügungen bestünden nicht. Die Beteiligte zu 2 habe keine Gründe vorgetragen, die die von ihr erklärte Anfechtung rechtfertigen könnten. Die durchgeführten Ermittlungen hätten keinen Anhalt dafür ergeben, daß der Erblasser nicht testierfähig gewesen sei.

2. Diese Ausführungen sind zwar nicht frei von Rechtsfehlern (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 550 ZPO). Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich aber im Ergebnis als richtig (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 563 ZPO).

a) Das Landgericht hat dem Abschnitt II des notariellen Erbvertrages vom 26.2.1985 entnommen, daß der Erblasser die Beteiligte zu 1 zu seiner alleinigen Erbin eingesetzt hat. Dies begegnet keinen Bedenken. Der Erblasser hat dort ausdrücklich die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 in dem früheren Erbvertrag vom 30.10.1972 aufrechterhalten und dadurch formgerecht nochmals seinen Willen zum Ausdruck gebracht, diese zu seiner Alleinerbin einzusetzen.

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht angenommen, daß der Erbvertrag vom 26.2.1985 wirksam errichtet worden ist. Allerdings verlangt das Gesetz für den Abschluß eines Erbvertrages die Geschäftsfähigkeit des vertragschließenden Erblassers (§ 2275 Abs. 1 BGB). Das Landge...

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